Urteil des OVG Frankfurt (Oder) vom 25. August 2001
Zusammenfassung des Urteils
Von: @RA Matthias M. Möller-Meinecke <2001-09-08>

1. Klagebefugnis der Gemeinden
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 24.8.01 bestätigt, daß die vom Fluglärm betroffenen Nachbargemeinden eine Befugnis zur Klage gegen eine landesplanerische bzw. raumordnerische Entscheidung über einen Flughafenausbau haben. Die früher vertretene Meinung, gegen die Abschlussentscheidung eines Raumordnungsverfahrens sei kein Rechtsmittel eröffnet, ist damit überholt.

2. Fluglärm muß Wohnungsplanung unmöglich machen
Allerdings müssen die klagenden Gemeinden nachweisen, dass sie als Folge der Raumordnungsentscheidung eine hinreichend konkretisierte eigene Planungsentscheidung nicht weiterverfolgen können oder dass wesentliche Teile ihres Gemeindegebietes einer Überplanung entzogen werden.

3. Eignung des Standortes auch bei Erweiterungsplanung zu prüfen
Das OVG Frankfurt/Oder fordert auch für die Erweiterung bestehender Verkehrsflughäfen eine umfassende Prüfung der Standorteignung. Die Landesplanungsbehörde führte in dem Prozess aus, dass sie es nicht für erforderlich gehalten hatte, eine Abwägung über die Standortwahl vorzunehmen. Dieses Vorgehen begründete sie damit, dass es sich bei dem Projekt BBI Flughafen Schönefeld nur um einen Ausbau eines vorhandenen Flughafens und nicht um einen Neubau handeln würde. Insofern hatte eine Standortabwägung gar nicht stattfinden müssen. Dieser Ansicht tritt das Oberverwaltungsgericht entgegen. Auch eine Erweiterung eines bestehenden Verkehrsflughafens erfordert eine Zusammenstellung der für und wider den gewählten Standort sprechenden Argumente und eine Untersuchung der Eignung des gewählten Standortes. Allein die Tatsache, dass an einem Ort schon ein Flughafen existiert, rechtfertigt nicht die Eignung dieses Standortes bei einer Erweiterungsplanung. Aus den vorliegenden dürftigen Unterlagen konnte das Gericht die Entscheidung für den Standort Schönefeld nicht nachvollziehen.

4. Pflicht zur umfassenden Beteiligung der Städte und Gemeinden
Die von der Raumordnungsplanung betroffenen Gemeinden sind frühzeitig und umfassend im Verfahren zu beteiligen. In Berlin wurden die Gemeinden nur einmal in einem frühen Verfahrensstadium, nach der Standortauswahl aber nicht erneut beteiligt; dies verletzt ihr Partizipationsrecht.

5. Standortfestlegung durch Landesgesetz angreifbar
In Berlin wurde der Standort für die Erweiterung des Flughafens in Schönefeld nicht nur im Raumordnungsverfahren, sondern auch in einem Gesetz (Landesentwicklungsprogramm) festgeschrieben. Das war für die Entscheidung unter dem Gesichtspunkt relevant, ob den Gemeinden gegen die dem Landesgesetz nachgelagerte Raumordnungsentscheidung überhaupt ein Rechtsmittel eröffnet ist. Die Richter bejahten das Rechtsschutzbedürfnis mit den in der mündlichen Urteilsverkündung erläuterten interessanten Hinweisen, dass

  • die gesetzliche Standortentscheidung die gleichen Abwägungsfehler wie die Entscheidung im Raumordnungsverfahren in sich trage
  • zukünftig ein Verwaltungsgericht seine Bedenken auch gegen die Rechtswidrigkeit des Planungsgesetzes mit einem Vorlagebeschluss mit hinreichenden Aussichten auf Erfolg dem Landesverfassungsgericht zur Entscheidung über das Gesetz vortragen könne.
Im Ergebnis kann ein Bundesland die Rechtsschutzmöglichkeiten einer vom Fluglärm betroffenen Nachbargemeinde gegen die Raumordnungsentscheidung nicht dadurch unterlaufen, dass es den Standort in einem Landesprogramm durch ein Gesetz beschließt.

6. Ausklammerung von Lärmkonflikten
In Berlin wurde der Großflughafen zwischen zwei historisch gewachsene Siedlungsbänder platziert und sowohl die Probleme des Lärmschutzes für die Bürger als auch die Interessen des Luftverkehrs an unbeschränktem Nachtflug im Raumordnungsverfahren nicht entschieden. Diese weiteren Mängel der Raumordnungsentscheidung waren für das Gericht noch nicht prüfungsrelevant, weil schon vorgelagerte Mängel zur Erklärung führten, dass die Behördenentscheidung nichtig ist.

7. Konsequenzen für das Verfahren in Berlin
Die Eignung des Standortes Schönefeld, die Belastung der Gemeinden durch Fluglärm und die erheblichen Beeinträchtigungen der Siedlungsstruktur durch einen Flughafen, der sich zwischen zwei ausgeprägten Siedlungsachsen befindet, müssen nunmehr in einem neuen Raumordnungsverfahren in die Abwägung einbezogen werden.

Das Urteil wurde zusammengefasst von:
Matthias Möller-Meinecke, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Am Plan 30, 99438 Tiefengruben
Tel. 036 458 496 10
Fax 036 458 496 50

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Juristische Auseinandersetzung Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder)

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