Die Fraktion der Flughafen-Ausbau-Gegner (FAG) in Frankfurt hat letzte Woche eine Beschwerde wegen "Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts" bei der EU-Kommission eingereicht. Nach Ansicht der FAG verstößt die geplante Landebahn Nordwest gegen die sogenannte Seveso-Richtlinie.
Die Seveso-Richtlinie II von 1996 soll Chemieunfälle wie in Seveso verhindern. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, alles zu tun, um Unfälle in störanfälligen Betrieben zu verhindern und die Auswirkungen zu begrenzen. In der Richtlinie ist festgelegt, dass gefährliche Betriebe genügend große Abstände zu Wohnsiedlungen, Erholungsgebieten oder anderen schutzwürdigen Objekten haben müssen. Zur Zeit wird die Richtlinie novelliert, damit in Zukunft Katastrophen wie z.B. die schwere Explosion im niederländischen Enschede (dort war eine Feuerwerksfabrik mitten in einem Wohngebiet explodiert) nicht mehr passieren können. In der neuen Fassung müssen entsprechend große Abstände gefährlicher Betriebe auch zu Verkehrswegen eingehalten werden. Die neue Richtlinie muss noch vom Ministerrat und dem EU-Parlament bestätigt werden, danach müssen die Mitgliedsstaaten sie in 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt haben. In Deutschland soll das vor allem durch die Anpassung der Störfallverordnung geschehen.
Grund der FAG-Beschwerde ist das Chemiewerk Ticona, das in der Einflugschneise der geplanten neuen Landebahn liegt und beim Landeanflug von den Flugzeugen in etwa 70 m Höhe überflogen würde. Bei der Ticona werden in großen Mengen gefährliche Chemikalien verarbeitet und gelagert, bei einem Flugzeugabsturz auf das Werk wären die Folgen katastrophal - ein klassischer Fall für die Anwendung der Seveso-Richtlinie. Ein angemessener Abstand nach der Richtlinie wäre für Flugzeuge etwa 4 Kilometer, was im Fall Ticona weit unterschritten wird: die Landebahn beginnt gleich hinter dem Ticona-Gelände.
Eine Beschwerde bei der EU ist möglich, weil in Deutschland die Seveso-Richtlinie bisher nicht in nationales Recht umgesetzt worden ist. Wenn die Pläne zum Flughafenausbau gegen die Richtlinie verstoßen, kann die EU wegen Vertragsverletzung gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem europäischen Gerichtshof klagen. Eine solche Klage könnte den Ausbau stoppen.
Zuvor hatte die Bürgerinitiative Sachsenhausen bereits eine Beschwerde wegen Verstoßes gegen die europäische Flora-Fauna-Habitat Richtlinien bei der EU eingereicht. Vom Ausbau wären Naturschutzgebiete betroffen, in denen geschütze Tiere wie z.B. der seltene Mittelspecht ihren Lebensraum haben. Auch diese Beschwerde wird von der EU geprüft werden.
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