Bundesverwaltungsgericht: Grünes Licht für Flughafen Berlin-Schönefeld
Aber Einschränkung des Nachtflugbetriebs (PM vom 16.03.2006)
Von: @Bundesverwaltungsgericht <2006-03-16>
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Musterklagen gegen den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld weitgehend abgelehnt. Allerdings muss beim Lärmschutz nachgebessert werden: so wurde weitgehendes Nachtflugverbot von 0-5 Uhr angeordnet und Verbesserungen bei den Außenbereichen gefordert. Standortwahl und Berücksichtigung von Naturschutzbelange sind nach Meinung des Gerichts korrekt.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Musterklagen von Anwohnern und von vier Gemeinden gegen den vom Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg erlassenen Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld zum einzigen internationalen Verkehrsflughafen in der Region Berlin-Brandenburg zum überwiegenden Teil abgewiesen. Ohne Erfolg blieben die Hauptanträge auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004. Hingegen hatten die Kläger mit einigen ihrer auf besseren Lärmschutz gerichteten Hilfsanträge Erfolg. So hat das Gericht die Planfeststellungsbehörde insbesondere verpflichtet, ein weitgehendes Nachtflugverbot in der nächtlichen Kernzeit von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr anzuordnen.

Die Entscheidung, den künftigen Luftverkehrsbedarf der Region Berlin-Brandenburg durch Konzentration auf einen einzigen internationalen Verkehrsflughafen zu decken und zu diesem Zweck den Flughafen Berlin-Schönefeld als "Single"-Flughafen auszubauen, ist auf der Ebene der Landesplanung gefallen. Sie findet ihre Grundlage in der Verordnung über den Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) vom 28. Oktober 2003. Die maßgebende Zielfestlegung Z 1 dieses Planes ist rechtmäßig und wirksam. Die Abkehr vom gegenwärtigen Berliner Flughafensystem (Tegel, Tempelhof, Schönefeld) verletzt das raumplanerische Abwägungsgebot nicht. Die Ablehnung stadtferner Standortalternativen wie Sperenberg oder Jüterbog-Ost ist ebenfalls frei von Abwägungsfehlern. Die von der Landesplanung angeführten Hauptgründe für den Ausbau von Schönefeld – die Nähe zur Bundeshauptstadt Berlin als dem Hauptaufkommensgebiet, die gute Einbindung in das bestehende Straßen- und Schienennetz und das größere wirtschaftliche Entwicklungspotenzial eines stadtnahen Standorts – rechtfertigen das Ausbauvorhaben. Die Träger der Landesplanung haben hinreichend berücksichtigt, dass bei der Wahl eines stadtfernen Standorts die Anzahl der von Fluglärm Betroffenen wesentlich geringer als bei einem Flughafen in der Nähe des großstädtischen Ballungsraumes ist. Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes (Betriebsbeschränkungen, Schallschutzfenster) sind dem Verfahren der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung überlassen. Der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg in seinem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil vom 10. Februar 2005 (OVG 3 D 104/03.NE), die Zielfestlegung Z 1 des LEP FS sei wegen erheblicher Abwägungsmängel unwirksam, ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt.

Defizite weist indessen das Lärmschutzkonzept auf, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegt. Durch diese Mängel wird das Grundgerüst der Planung zwar nicht in Frage gestellt, zur Fehlerbehebung bedarf es jedoch einer Planergänzung. Der Planfeststellungsbeschluss genügt den Anforderungen des Abwägungsgebotes vor allem deshalb nicht, weil er einen zeitlich unbeschränkten Nachtflugbetrieb zulässt. Der Flughafen Schönefeld ist – auch im An- und Abflugbereich – von Siedlungsflächen umgeben. An einem solchen Standort darf der Planungsträger es mit bloßen Maßnahmen des passiven Schallschutzes nur dann bewenden lassen, wenn gewichtige Bedarfsgesichtspunkte es rechtfertigen, die Lärmschutzbelange der Nachbarschaft hinter die öffentlichen Verkehrsinteressen zurückzusetzen. Diesen Nachweis hat der Vorhabenträger nicht erbracht. Jedenfalls in der Kernzeit der Nacht (0.00 Uhr bis 5.00 Uhr) überwiegt das Interesse der Anwohner, von Fluglärmbeeinträchtigungen verschont zu bleiben. Auch in der Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr und von 5.00 bis 6.00 Uhr ist nur der Flugbetrieb unbedenklich, der sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht innerhalb des Tagzeitraumes abwickeln lässt.

In dem Fehlerbehebungsverfahren wird die Planfeststellungsbehörde außerdem zu entscheiden haben, welcher Maximalpegel in den Nachtrandzeiten einzuhalten ist und welchen Lärmschutz der Außenwohnbereich genießt. Die im Planfeststellungsbeschluss getroffene Maximalpegelregelung ist durch inhaltliche Widersprüche gekennzeichnet, die zur Unanwendbarkeit führen. Zu kurz greift der Planungsträger auch bei der Frage, ob sich der Schutz des Außenwohnbereichs nur auf die Sicherung zumutbarer Kommunikationsverhältnisse beschränkt oder die Wahrung der Erholungsfunktion und die vorbeugende Abwehr von Gesundheitsbeeinträchtigungen mit einschließt. Ansonsten bietet das Lärmschutzkonzept des Vorhabenträgers keinen Anlass zu Beanstandungen.

Ebenfalls keinen Bedenken begegnet der wasserrechtliche Regelungsteil. Die Planfeststellungsbehörde durfte die Erlaubnis zur Grundwasserabsenkung erteilen, ohne zuvor Sorge dafür tragen zu müssen, dass im Bereich des Absenkungstrichters alle Altlasten saniert werden. Unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung zwischen Planfeststellungsbehörde und Bodenschutzbehörde reicht das im Planfeststellungsbeschluss angeordnete Monitoring-Programm zur Risikobewältigung aus. Der Planfeststellungsbeschluss genügt ferner den Anforderungen des Naturschutzrechts. Insbesondere ist den Erfordernissen des europäischen Naturschutzrechts (FFH- und Vogelschutzrichtlinie) Rechnung getragen. Die Einbeziehung des ökologisch wertvollen Glasowbachs in das Entwässerungskonzept des Vorhabenträgers stößt auf keine unüberwindbaren FFH-rechtlichen Hindernisse. Die Beeinträchtigung zahlreicher Tier- und insbesondere Vogelarten steht dem Flughafenausbau nicht im Wege, da nach Maßgabe der europarechtlichen Vorgaben die Voraussetzungen für eine artenschutzrechtliche Befreiung erfüllt sind.

Der Planfeststellungsbeschluss ist trotz Abweisung der Anfechtungsklagen der Musterkläger formal noch nicht sofort vollziehbar. Denn es bestehen zugunsten einiger anderer, an den Musterverfahren nicht beteiligter Kläger noch Eilentscheidungen des Gerichts, durch die im April/Mai 2005 die aufschiebende Wirkung der Klagen dieser Kläger angeordnet worden ist. Das beklagte Ministerium oder die beigeladenen Träger des Vorhabens können gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung eine Aufhebung dieser Eilbeschlüsse wegen veränderter Umstände beantragen.

BVerwG 4 A 1001.04, 4 A 1073.04, 4 A 1075.04, 4 A 1078.04 – Urteile vom 16. März 2006

Themen hierzuAssciated topics:

Gerichtsurteile Flughafen Berlin-Schönefeld (BER) Klage (vor Gericht) Bundesverwaltungsgericht Berlin Brandenburg (Land) Nachtflug-Beschränkungen

Das könnte Sie auch interessierenFurther readings:
Klage von Mörfelden-Walldorf auf Schutz vor Fluglärm gescheitert
Pressemitteilung vom 03.06.2004
Von: @Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH Kassel) <2004-06-05>
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat auch die Klage von Mörfelden-Walldorf gegen den Ist-Betrieb am Flughafen Frankfurt abgewiesen. Ein Anspruch auf Schallschutz oder Entschädigung wurde ebenfalls abgelehnt.    Mehr»
Fraport kann Gewerbegebiet auf dem Caltex-Gelände nicht verhindern
VGH Kassel lehnt Klagen gegen Bebauungspläne ab
Von: @cf <2003-12-16>
   Mehr»
Bundesverwaltungsgericht: Taunus-Flugrouten rechtmäßig
Pressemitteilung Nr. 37/2004 vom 24.6.2004
Von: @Bundesverwaltungsgericht <2004-06-24>
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Festlegung der Taunus-Flugrouten (TABUM) für rechtmäßig erklärt und damit ein anders lautendes Urteil des VGH Kassel aufgehoben.    Mehr»
Klage gegen Fluglärm abgewiesen - Gesundheitsgefahren nicht berücksichtigt
Pressemitteilung vom 15.7.2004
Von: @IAGL- Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm <2004-07-15>
   Mehr»
VGH Kassel: Klagen auf Schutz vor Fluglärm erneut gescheitert
Pressemitteilung vom 15. 07. 2004
Von: @Hessischer Verwaltungsgerichtshof <2004-07-15>
Der VGH Kassel hat wieder einmal eine Klage gegen den aktuellen Flugbetrieb am Frankfurter Flughafen abgelehnt. Die Kläger hatten ein Nachtflugverbot und die Einführung des CDA-Anflugverfahrens gefordert. Auch Entschädigungen oder Schallschutzmaßbahmen wurden vom Gericht abgelehnt.   Mehr»
VGH Kassel: Klage des BUND gegen CCT-Werft abgewiesen
Pressemitteilung Nr. 15/2004 vom 01.06.2004
Von: @Hessicher Verwaltungsgerichtshof (VGH Kassel) <2004-06-01>
   Mehr»
VGH Kassel: Regionalplan Südhessen 2000 ist nichtig
Pressemitteilung 22/2004 vom 30.07.2004
Von: @Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH Kassel) <2004-07-30>
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat den Regionalplan Südhessen 2000 für nichtig erklärt. Die Landesregierung war nicht berechtigt, den von der Regionalversammlung beschlossenen Plan nachträglich abzuändern.    Mehr»
Bebauungsplan für das Caltex-Gelände rechtsgültig
Bundesverwaltungsgericht weist Beschwerde der Fraport ab
Von: @cf <2004-06-16>
   Mehr»
VGH: Keine Verpflichtung der Fraport AG zur Unterlassung der Errichtung der A 380-Werft
Klage der Stadt Mörfelden-Walldorf abgewiesen
Von: @Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH Kassel) <2004-11-25>
   Mehr»
VGH Kassel: Eilanträge gegen Abweichungszulassung zum Bau A 380-Werft zurückgewiesen
Pressemiteilung vom 21.04.2005
Von: @Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH Kassel) <2005-04-21>
   Mehr»
VGH Kassel: Normenkontrollantrag gegen Regionalplan Südhessen 2000 abgelehnt
Pressemitteilung vom 03.11.2005
Von: @Hessischer Verwaltungsgerichtshof <2005-11-03>
   Mehr»
Ausbau Berlin-Schönefeld: die Urteilsbegründungen sind da!
Jetzt beim Bundesverwaltungsgericht im Internet abrufbar
Von: @cf <2006-06-15>
Die Urteilsbegründungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld sind jetzt auf den Internetseiten des Gerichts zum Download verfügbar.    Mehr»
VGH Kassel: Bau der neuen Landebahn steht nichts entgegen
Pressemitteilung 22/2004 vom 15.01.2009
Von: @Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH Kassel) <2009-01-15>
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat alle Eilanträge gegen den Sofortvollzug des Plans zum Flughafenausbau Frankfurt abgelehnt. Es soll aber keine Flüge in der Kernnacht geben.   Mehr»
Urteil des Hess. Verwaltungsgerichtshof zum Regionalplan Südhessen 2000
Ist der Regionalplan Südhessen 2000 eine Norm und daher gerichtlich angreifbar?
Von: @PFV <2002-10-17>
   Mehr»
Teilerfolg der Klagen gegen Taunus-Abflugrouten
Pressemitteilung des VGH Kassel vom 11. Februar 2003
Von: @(VGH Kassel) <2003-02-12>
   Mehr»
OLG Frankfurt: Spedition darf nachts keinen Lärm machen!
Aber Fluglärm ist etwas ganz anderes!
Von: @-&lt;[ @ufgeflogen ]&gt;- <2003-02-05>
   Mehr»
Klagen der Stadt Offenbach gegen den Frankfurter Flughafenbetrieb abgewiesen
Presseinformation
Von: @(Verwaltungsgerichtshof Hessen, VGH) <2003-04-02>
   Mehr»
Bundesverwaltungsgericht hebt "Rilax-Urteil" auf
Pressemitteilung BVerwG vom 26.11.2003
Von: @cf <2003-11-26>
   Mehr»
Bundesverwaltungsgericht entscheidet Klagen gegen Regionalplan Südhessen
Pressemitteilung BVerwG vom 20.11.2002
Von: @Bundesverwaltungsgericht <2003-11-22>
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Klagen der Städte Flörsheim und Offenbach gegen den Regionalplan Südhessen zulässig sind.   Mehr»
Klage der Fraport AG gegen Bebauungspläne für Caltex-Gelände abgelehnt
Pressemitteilung VGH Kassel vom 15.12.2003
Von: @cf <2003-12-16>
   Mehr»
Klage von Flörsheim, Hatterheim und Hochheim gegen Ist-Zustand am Frankfurter Flughafen abgewiesen
Pressemitteilung des VGH Kassel vom 23.12.2003
Von: @cf <2003-12-23>
   Mehr»
Die Bildrechte werden in der Online-Version angegeben.For copyright notice look at the online version.

Bildrechte zu den in diese Datei eingebundenen Bild-Dateien:

Hinweise:
1. Die Bilder sind in der Reihenfolge ihres ersten Auftretens (im Quelltext dieser Seite) angeordnet.
2. Beim Anklicken eines der nachfolgenden Bezeichnungen, wird das zugehörige Bild angezeigt.
3, Die Bildrechte-Liste wird normalerweise nicht mitgedruckt,
4. Bildname und Rechteinhaber sind jeweils im Dateinamen des Bildes enthalten.