Platzt der Staatsvertrag mit der Schweiz?
In der Schweiz formiert sich der Widerstand
Von: @-&lt;[ @ufgeflogen ]&gt;- <2002-05-04>
Der im letzten Oktober unterzeichnete Staatsvertrag mit der Schweiz über die Regelung der An- und Abflüge des Flughafens Zürich über deutschem Gebiet droht zu platzen: immer mehr Schweizer Politiker sind dagegen, den Vertrag zu ratifizieren. Die Verkehrskommission des Nationalrats entschied am Dienstag mit einer knappen Mehrheit von 13 gegen 12 Stimmen, den Vertrag abzulehnen. Die einflussreiche Regierung des Kantons Zürich hat ebenfalls dem Parlament empfohlen, den Vertrag abzulehnen. Das Parlament muss in diesem Sommer über die Ratifizierung des Staatsvertrags entscheiden. Wie die Abstimmung ausgehen wird, ist offen. Eine Ablehnung liegt durchaus im Bereich des Möglichen.

Der Staatsvertrag, der auch in der Rhein-Main-Region Anlass für intensive Diskussionen gab, sieht für An- und Abflüge am Flughafen Zürich ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr (schon umgesetzt), ein Flugverbot an Wochenenden von 20-6 Uhr und die Reduzierung des Flugbewegungen auf 100 000 pro Jahr über deutschem Gebiet vor - Bedingungen, von denen die Anwohner deutscher Flughäfen nur träumen können.

Doch die Verbesserung der Situation durch den Staatsvertrag für die Bevölkerung auf der deutschen Seite hat böse Folgen für viele Schweizer: einige dicht besiedelte Gebiete bekommen jetzt wesentlich mehr Fluglärm ab als vorher, weil die Flugrouten nun vermehrt über Schweizer Gebiet geführt werden müssen. So richtig begeistert vom Staatsvertrag waren die Schweizer deshalb von Anfang an nicht: der Vertrag wurde deshalb unterzeichnet, weil der deutsche Verkehrsminister in diesem Fall am längeren Hebel saß und man meinte, dieser Vertrag wäre immer noch besser als gar keiner. Ohne Vertrag könnte Deutschland nämlich noch schärfere Bedingungen einfach diktieren, so war die vorherrschende Meinung damals.

Doch inzwischen hat sich die Stimmung geändert. Die Schweizer fühlen sich über den Tisch gezogen. 15000 Einsrüche gingen allein gegen die Neuordnung des Flugverkehrs an Wochenenden ein. Dünn besiedelte Gebiete in Süddeutschland würden privilegiert, dicht besiedeltes Schweizer Territorium würde unverhältnismäßig stark belastet, beschwert sich die Zürcher Regierung. Außerdem befürchtet man Nachteile für die Entwicklung der Fluglinie Swiss und des Flughafens Zürich. Der Flughafen könne zwar durch alternative Flugroutenführung über Schweizer Gebiet weiter betrieben werden, werde jedoch in seiner Flexibilität stark eingeschränkt und werde durch notwendige zusätzliche Investitionen benachteiligt, heißt es in Zürich. Auch die Swiss sieht Probleme, bei wieder steigender Zahl der Flüge ihren Betrieb abzuwickeln und fühlt sich gegenüber anderen Fluggesellschaften diskriminiert, die an ihren Heimatflughäfen keine entsprechenden Restriktionen haben.

Der neue Optimismus, gegen den Staatsvertrag vorgehen zu können, beruht auf den am 1. Juni 2002 in Kraft tretenden bilateralen Abkommen mit der EU. Die Schweiz wird dann in Sachen Luftverkehr den EU-Mitgliedern gleich gestellt. In den Abkommen wird eine "Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit" untersagt. Damit hofft man, eventuelle einseitige Verfügungen der deutschen Seite bei Scheitern des Staatsvertrags auf dem Rechtsweg kippen zu können; Flughafen und Swiss könnten wegen Diskriminierung klagen.

Dass der Staatsvertrag nicht gerade fair gegenüber der Schweiz ist, ist offensichtlich - die Schweizer können sich weder politisch noch mit wirtschaftlichen Mitteln wehren. So ist der sich formierende Widerstand gegen den Staatsvertrag durchaus verständlich. Doch der Ausgang des Konflikts ist ungewiss, das Risiko für die Schweiz hoch.

Für die betroffene Schweizer Bevölkerung dürfte ein Scheitern des Vertrags erst einmal wenig bringen. Das Verkehrsministerium in Berlin hat bereits angedroht, dass man keine der Neuregelungen zurücknehmen wird, sondern daran denkt, die Regelungen des Vertrages oder sogar noch schärfere Bestimmungen zu verordnen (z.B. 80000 Flugbewegungen, Nachtflugverbot von 22-7 Uhr und totales Flugverbot an Wochenenden, wie ursprünglich gefordert war). Die Entscheidung der Gerichte über solche Massnahmen kann sich über Jahre hinziehen. Der Schuss könnte sogar nach hinten losgehen: wenn der Flughafen glaubhaft machen kann, dass er durch von Deutschland verfügte Regelungen in seiner Existenz gefährdet wird, könnten neue Flugrouten und -Verfahren im Rahmen von "Notrechtserlassen" ohne die sonst vorgesehene Mitwirkung der Bevölkerung durchgesetzt werden. Bürgerinitiativen äußerten sich deshalb skeptisch zu einer Ablehnung des Staatsvertrages.

Eines haben die Politiker beider Länder jedenfalls gemeinsam: wenn es um die Interessen ihrer Luftverkehrsindustrie geht, werden sie so richtig wach und gehen auf die Barrikaden. Der Schutz der Bevölkerung vor den schädlichen Auswirkungen des Flugverkehrs kommt erst weit dahinter.

Es sei denn, durch die Schutzmassnahmen wird nicht die eigene Wirtschaft betroffen, sondern nur die eines Nachbarlandes. Der Verkehrsausschuss des deutschen Bundestag hat dem Staatsvertrag vor einer Woche jedenfalls zugestimmt. Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP: denen gingen die Beschränkungen nicht weit genug. Von EU-Richtlinien und Diskriminierung sprach dort niemand.

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