Die neue konservativ-liberale Regierungskoalition in Großbritannien - erst seit wenigen Tagen im Amt - hat als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Ausbaupläne für den Flughafen Heathrow beerdigt. In der Koalitionsvereinbarung einigte man sich darauf, dass die lange umstrittene dritte Bahn in Heathrow nicht gebaut werden soll. Auch an den anderen Londoner Flughäfen, Gatwick und Stansted, sollen keine weiteren Start- und Landebahnen gebaut werden. Statt dessen plant man ein Netz von Hochgeschwindigkeitszügen. Dies ist eine deutliche Wende in der Verkehrspolitik. Die abgewählte Labour-Regierung hatte die Ausbaupläne für alle Flughäfen unterstützt.
Das Regierungsprogramm enthält auch noch andere Regelungen, um das Ausufern des Flugverkehrs in den Griff zu bekommen. So soll die Flughafensteuer nicht mehr pro Passagier, sondern pro Flugzeug erhoben werden. Dies begünstigt Fluggesellschaften, die mit hoher Auslastung fliegen.
So überraschend sich die Wende in der Flughafenpolitik anhört - sie kommt nicht ganz unerwartet. Bereits im Jahr 2008 hatten die Ausbaupläne in der Politik Gegenwind bekommen. Einige Abgeordnete zweifelten am wirtschaftlichen Sinn, Widerstand begann sich zu formieren. Der Londoner Bürgermeister schlug vor, den Flughafen Heathrow zu schließen und einen neuen Flughafen in der Themse-Mündung zu bauen. Im März 2010 verhandelte der "High Court of Justice" über Klagen von Umweltschützern und entschied, dass der Ausbau von Heathrow nicht mit den Klimaschutzzielen der Regierung verträglich sei. Das Gericht forderte weitere Untersuchungen und Anhörungen und legte das Projekt damit erst einmal bis zur Wahl auf Eis. Die Konservativen kündigten danach an, den Bau der dritten Bahn im Fall eines Wahlsiegs zu verhindern. Auch bei den Liberaldemokraten stand der Punkt im Wahlprogramm.
Ausbaugegner freuten sich über ihren Sieg und dankten der neuen Regierung für ihre Entscheidung. In Downing Street 10 überreichten sie die Unterschriften von mehr als 90000 Ausbaugegnern, die aus Protest gemeinsam ein Grundstück auf dem Gebiet der geplanten dritten Landebahn erworben hatten. Der stellvertretende Ministerpräsident Nick Clegg, Chef der Liberaldemokraten, gehört dazu. Greenpeace äußerte die Hoffnung, dass die Entscheidung gegen den Flughafenausbau bestehen bleibe: "Wenn nicht, sind wir da, um sie zu verteidigen".
Die britische Luftfahrtindustrie ist von der politischen Trendwende nicht begeistert, Entrüstungsstürme und Weltuntergangsprognosen sind aber bisher noch nicht ausgebrochen.
Der Erfolg der britischen Ausbaugegner ist ermutigend auch für die Gegner eines Ausbaus des Frankfurter Flughafens - sie freuen sich mit ihren britischen "Kollegen" und hoffen weiter auf die noch offenen Gerichtsverfahren. Doch zu große Hoffnungen sollten sie sich nicht machen: die Verhältnisse in Großbritannien sind einfach anders. Die Entscheidung über Heathrow fiel auf der politischen Bühne. Und von dort ist hierzulande nichts Gutes zu erwarten.
Eine Analyse der neuen britischen Luftverkehrspolitik findet man beim "Centre for Asia Pacific Aviation" (eher aus der Sicht des Marktbeobachters und Investors, aber vielleicht gerade deshalb interessant).
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