MATTHIAS M. MÖLLER MEINECKE
RECHTSANWALT FACHANWALT FÜR VERWALTUNGSRECHT
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Die gerichtliche Überprüfung
von luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen
Rechtsgrundlage und Inhalte der Planfeststellung
Rechtsgrundlage für die geplante Erweiterung des bestehenden Verkehrsflughafens Frankfurt Rhein-Main einschließlich der planenrischen Entscheidung über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung in diesem Zusammenhang ist ebenso wie bei einem Flughafenneubau § 8 Abs. 1 LuftVG. Diese Vorschrift enthält neben ihrer verwaltungsverfahrensrechtlichen Bedeutung die materielle Ermächtigung der Planfeststellungsbehörde zur luftverkehrsrechtlichen Fachplanung selbst. Zentrales Element dieser Ermächtigung ist die mit ihr verbundene Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit. Ihrem Gegenstand nach erstreckt sich diese in umfassender Weise auf alle planerischen Gesichtspunkte, die zur - möglichst optimalen - Verwirklichung der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe, aber auch zur Bewältigung der von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991, BVerwGE 87, 332 <341>; Urteil vom 7. Juli 1978, BVerwGE 56, 110 <116>).
Zu den planerischen Gesichtspunkten zählen die "Schutzanlagen", also z.B. aktive und passive Fluglärmschutzeinnichtungen, die für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung benachbarter Grundstücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind.
Weiterhin zählen zu den planerischen Gesichtspunkten die Prüfung der Umweltverträglichkeit der Planungsmaßnahme (§ 6 Abs. 1 LuftVG). Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein unselbständiger Teil des luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung umfaßt die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen, Kultur- und sonstige Sachgüter.
Sie wird unter Einbeziehung der Öffentlichkeit durchgeführt. Bedarf die Entscheidung über die Flughafenerweiterung neben der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung und Planfeststellung weiterer Verfahren, werden die in diesen verschiedenen Verfahren durchgeführten Teilprüfungen zu einer Gesamtbewertung aller Umweltauswirkungen, einschließlich der Wechselwirkungen, zusammengefasst.
Dem Wesen rechtsstaatlicher Planung entsprechend ist die planerische Gestaltungsfreiheit verschiedenen rechtlichen Bindungen unterworfen, deren Einhaltung der Kontrolle der Verwaltungsgerichte unterliegt. Solche Bindungen folgen u.a. aus den Anforderungen des sich auf den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis erstreckenden Abwägungsgebots (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. zur luftverkehrsrechtlichen Fachplanung, BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1978, a.a.O., 5. 122 f. sowie vom 29. Januar 1991, a.a.O., 5. 341).
Rechtfertigung der durch die luftverkehrsrechtliche Planung bewirkten Grundrechtseingriffe (Planrechtfertigung)
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört zu den rechtlichen Bindungen einer Planung die Planrechtfertigung. Dazu ist vom Bundesverwaltungsgericht in der Frankfurter Flughafenentscheidung (BVerwGE 56, 110) ausgeführt worden: Eine hoheitliche Planung trägt ihre Rechtfertigung nicht schon in sich selbst, sondern ist im Hinblick auf die von ihr ausgehenden Einwirkungen auf Rechte Dritter für die jeweils konkrete Planungsmaßnahme rechtfertigungsbedürftig (BVerwGE 34, 301, 305; 48, 56, 60; 52, 237; 55, 220; 56, 110, 118; BVerwG NJW 1980, 953).
In diesem Sinne findet eine bestimmte Planung ihre Rechtfertigung darin, daß für das mit ihr beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der von dem betreffenden Fachplanungsgesetz allgemein verfolgten Ziele ein Bedürfnis bestehe, die mit ihr geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich sei. Erforderlich sei die Fachplanung dabei nicht erst bei Unausweichlichkeit, sondern wenn sie vernünftigerweise geboten sei. Der Bedarf sei aufgrund einer prognostischen Einschätzung zukünftiger tatsächlicher Entwicklungen zu treffen. Die Prognose müsse mit den im Zeitpunkt der Entscheidung über die Planfeststellung zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln unter Berücksichtigung aller für sie erheblichen Umstände einwandfrei gestellt worden sein. Es sei für die Prognose vorauszusetzen, aber auch ausreichend, daß sie in einer der jeweiligen Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (BVerwGE 56, 110 [122f]).
Die Neuanlage einer Start- und Landebahn eines Flughafens bedarf wegen des damit verbundenen Eingriffs in Grundrechte von Anwohnern z.B. auf körperliche Unversehrtheit und Eigentum der Planrechtfertigung.
Planrechtfertigung.
Die Planrechtfertigung hat die Funktion, das Vorhaben zunächst allgemein den Planungszwecken des jeweiligen Fachgesetzes zuzuordnen. Sie hat daneben aber auch die Aufgabe, als jeweilige Zielsetzung des Planens die planerische Abwägung nach Vorgang und Ergebnis zu steuern (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1991, 129, 130).
Die Einordnung des Stellenwertes der planerischen Zielsetzung in diesem Zusammenhang, d.h. hinsichtlich der Gewichtung und Abwägung im Verhältnis zu entgegenstehenden Belangen, unterfällt der gerichtlichen Abwägungskontrolle, für die andere Maßstäbe als bei der Überprüfung von unbestimmten Rechtsbegriffen gelten. Dabei ist nämlich der jeglicher Planung eigene Gestaltungsspielraum zu berücksichtigen (OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93 <Hahn>).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaftungsgerichts, insbesondere der des 7. Senats, könnte aber fraglich sein, ob ein solch selbständiger Prüfungsgesichtspunkt der Planrechtfentigung - der Abwägungskontrolle vorangestellt - überhaupt noch Bedeutung hat (vgl. BVerwGE, 85, 44, 51).
Denn das Gericht verweist überzeugend darauf, daß an diese erste Stufe der gerichtlichen Überprüfung von Fachplanungen so geringe Anforderungen an die Erforderlichkeit eines Projektes gestellt werden, daß daran kaum jemals ein Vorhaben der öffentlichen Infrastruktur scheitern kann und daher der Aufwand im Mißverhältnis zum praktischen Prüfungsnutzen steht (vgl. Kühling, Fachplanungsrecht, Rz. 166).
Der Rechtsprechung des 4. Senats lassen sich indessen Zweifel in dieser Richtung weniger deutlich entnehmen. Steinberg (DVBI 1992, 1501, 1503) differenziert dies danach, ob es um raumbedeutsame Anlagen wie in der Fernstraßenplanung bzw. Flughafenplanung geht oder nur um Anlagen, die eher mit der Anlagengenehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz zu vergleichen sind. Jedenfalls setzt die Planrechtfertigung ohnehin nicht voraus, daß das Vorhaben strikt geboten wäre (vgl. BVerwG, NJW 1975, 1373; BVerwGE 75, 214 = NVwZ 1987, 578; BVerwG, NVwZ 1990, 860).
In diesem Sinne ist eine Planung erst dann gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der von den Fachplanungsgesetzen allgemein verfolgten Zielen ein Bedürfnis besteht, das Vorhaben also unter diesem Blickwinkel objektiv erforderlich ist.
Eine Flughafenplanung ist nur gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich ist. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist (BVerwGE 56, 110 <118 f.>; 71, 166 <168>; 72, 282 <285>; 75, 214 <233>).
Insbesondere kann die Erweiterung und wesentliche Änderung eines Flughafens wegen eines geänderten Verkehrsbedürfnisses erforderlich sein (BVerwGE 56, 110 <120>; 75, 214 <233>).
Die Dringlichkeit der auf der Ebene der Planrechtfertigung zugrunde gelegten Zielvorstellungen kann gleichzeitig auch das Gewicht der in die Abwägung einzustellenden öffentlichen Belange bestimmen (BVerwG Beschluß vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6).
Der Begriff "nach den Zielen des Lufverkehrsgesetzes vernünftigerweise geboten" ist ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff, welcher in seiner korrekten Anwendung der vollen Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt. Bei der Prüfung, ob die Planung vernünftigerweise geboten ist, kann aber erleichternd auch auf Erwägungen zurückgegriffen werden, welche die objektiven Verhältnisse treffen, selbst wenn sie in der schriftlichen Dokumentation der Planungsentscheidung keinen Niederschlag finden (BVerwG, NVwZ 1990, 860).
Der unter dem Stichwort Planrechtfertigung angesprochene Frage nach dem objektiven Verkehrsbedarf für die Ausbauplanung kommt jedenfalls in dem nachfolgenden gerichtlichen Prüfungsschnitt, ob eine fehlerfrei Abwägungsentscheidung gegeben ist, eine zentrale Rolle zu.
Die Ermittlung und Lösung der aufgeworfenen Konflikte (Abwägung)
Wie jede planerische Entscheidung im Fachplanungsrecht, so ist auch die Entscheidung über den Neubau einer Start- und/oder Landebahn eines Flughafens in einem lufiverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren daran zu messen, ob sie dem Gebot gerechter Abwägung aller von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange genügt. Dies ergibt sich aus dem Wesen jeder rechtsstaatlichen Planung (vgl. BVerwGE 56, 110).
Das Abwägungsgebot erstreckt sich auf den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt das Abwägungsgebot, daß eine Abwägung überhaupt stattfindet, in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß und daß weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwGE 56, 110).
Wegen des naturgemäß jeglicher Planung zukommenden Gestaltungsspielraums wird das Abwägungsgebot indessen nicht verletzt, wenn sich die planende Behörde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Solche letztlich in der politischen Verantwortung zu treffenden Entscheidungen sind einer weitergehenden Gerichtskontrolle nicht zugänglich.
Im Luftverkehrsrecht setzt allerdings § 9 Abs. 2 LuftVG der Planungsentscheidung gesetzlich vorgezeichnete äußerste, mit einer "gerechten Abwägung" nicht mehr überwindbare Grenzen. Danach sind dem Unternehmer die Errichtung und Erhaltung der Anlagen aufzuerlegen, die für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind. Ist die Planung für die Betroffenen mit entsprechenden unzumutbaren Beeinträchtigungen und Nachteilen verbunden, so darf in der Planungsentscheidung der Konflikt nicht unbewältigt bleiben. Vielmehr fordert das Gesetz insoweit einen physisch-realen Ausgleich oder entsprechende Entschädigung (§ 74 Abs. 2 Satz 3 HVwVfG). Ausreichend sind solche Schutzauflagen - die grundsätzlich mit der Verpflichtungsklage auf Planergänzung zu verfolgen sind - nur dann, wenn sich die planende Behörde aufgrund einer fehlerfreien Abwägung nicht in der Lage sieht, die Problembewältigung durch planerische Gestaltung des Flughafens einschließlich seines Betriebs selbst zu leisten.
Dabei darf aber ein angerufenes Gericht bei der Kontrolle der Planungsentscheidung nicht in den planerischen Gestaltungsspielraum der Behörde (gleichsam mit eigenem Konzept) eingreifen; dies gilt auch für Betriebsauflagen im Sinne des §6 Abs. 1 Satz 2 LuftVG; Ermittlungs- und Abwägungsdefizite führen - unter Berücksichtigung der Einschränkung aus §10 Abs. 8 LuftVG (vgl. zum "ergänzenden Verfahren": BVerwG, Urteil vom 21.03.1996, DVB1. 1996, 907) zu einer Aufhebung oder Teilaufhebung der Planungsentscheidung (vgl. zum Ganzen BVerwG, München 2, Urteil vom 29. Januar 1991, NVwZ-RR 1991, 601 f.).
Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LuftVG kann die luftverkehrsrechtliche Genehmigung mit Auflagen verbunden werden. Anders als Schutzauflagen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG werden diese aber nicht in der Weise begrenzt, daß es sich dabei nicht um Betriebsregelungen handeln dürfte. Gerade diese sind regelmäßig Gegenstand der insoweit in das Planfeststellungsverfahren zu übernehmenden Auflagen im Genehmigungsverfahren. Doch wird auch hier die Grenze zwischen mit der Verpflichtungsklage zu verfolgenden ergänzenden Auflagen und solchen, die das Geflecht der Abwägung wesentlich berühren, dort verlaufen, wo mit einer nachträglichen Auflage wesentlich in die von der Genehmigungsbehörde verfolgte Konzeption eingegriffen würde (vgl. zur Unterscheidung von Betriebsregelungen und Schutzauflagen BVerwG, a.a.O., 5. 604).
Das Planungsvorhaben "Erweiterung des Flughafens Frankfurt" vermag sich nur dann gegenüber u.a. den Rechten der Anwohner auf Schutz ihrer Gesundheit gegenüber Fluglärm und den Rechten der Städte und Gemeinden im Umfeld des Flughafens auf eine angemessene Eigenentwicklung durchsetzen, wenn der Bedarf für einen Ausbau des Frankfurter Flughafens frei von Ermessensfehlern nachgewiesen ist. Für den Bedarfsnachweis ist eine Prognose des zukünftigen Luftverkehrsbedarfs erforderlich.
Dabei ist es Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, den vom Träger des Vorhabens eines Flughafenneubzw. -ausbaues behaupteten erforderlichen Ausbaubedarf prognostisch zu bestimmen. Sie muß in diese Prognose nicht nur die reinen Zahlen zukünftig erwarteter Fluggäste für den in Betracht kommenden Linien- und Charterflugverkehr einschließlich eines eventuellen Frachtverkehrsaufkommens einbeziehen, sondern auch den Bedarf an dazugehörenden Gebäuden und Nebenanlagen, mit denen der erhöhte Flugverkehr reibungslos sicherheitstechnisch abgewickelt werden kann. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat insoweit nur zu prüfen, ob die Prognose mit den zu jener Zeit der Planfeststellungsbehörde verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist (BVerwGE 72, 282 <286>; 75, 214 <234>; 87, 332 <355>).
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit überprüft insoweit die Wahl einer geeigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der Prognose zugrundeliegenden Sachverhalts und ob das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Ferner ist zu fragen, ob die mit jeder Prognose verbundene Ungewißheit künftiger Entwicklungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Eingriffen steht, die mit ihr gerechtfertigt werden sollen.
Es ist hingegen nicht Aufgabe der Gerichte, das Ergebnis einer auf diese Weise sachgerecht erarbeiteten Prognose darauf zu überprüfen, ob die prognostizierte Entwicklung mit Sicherheit bzw. größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit eintreten wird oder kann, ferner nicht darauf, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist (BVerwGE 56, 110 <121, 122>).
Eine Überschreitung des planerischen Gestaltungsspielraums liegt insbesondere nicht allein darin, daß die Planfeststellungsbehörde die Entwicklung des Luftverkehrsaufkommens optimistischer beurteilt als betroffene Anlieger des Flughafens (BVerwGE 75, 214 <234>; Beschluß vom 5. Oktober 1990, a.a.O.).
Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Bedarfsprognose über den zukünftigen Flugverkehr zu erstellen. An einer solchen tragfähigen Bedarfsprognose nach den Vorgaben der Rechtsprechung fehlt es bislang. Die Vorgabe der FRAPORT AG zugunsten einer Kapazitätszahl von 120 Flugbewegungen pro Stunde ersetzt keine Bedarfsprognose.
Eine Bedarfsprognose muß der Materie "Luftverkehr" angemessen und in methodisch einwandfreier Weise erstellt sein. Dazu sind die zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel unter Berücksichtigung aller für sie erheblichen Umstände" in einer der Materie "Luftverkehr" "angemessenen und methodisch einwandfreien Weise" (BVerwGE 56, 110, 121 mw. Nachweisen) in eine Prüfung einzustellen und zu bewerten, ob der zukünftige Bedarf nicht auch ohne einen Ausbau durch Ausnutzung aller tatsächlichen und technischen Möglichkeiten zu verneinen ist und ob bejahendenfalls sich diese tatsächlichen und technischen Möglichkeiten auch rechtlich umsetzen lassen. Bei diesen "tatsächlichen und technischen Möglichkeiten" handelt es sich um folgendes:
Abwägungsprüfung: Verkehrsvermeidung
Hier geht es um das Vermeiden oder Reduzieren von Fracht- und Personenluftverkehr durch das Unterlassen des (Fern-)Transportes nicht lebenswichtiger Güter und Erzeugnisse, die Entwicklung und Einführung umweltfreundlicher Verfahren zur Vermeidung oder Reduzierung von Luftverkehr sowie das Herstellen, Be- und Verarbeiten von Gütern und Erzeugnissen mit kurzen Transportwegen.
Es wird insoweit als Beispiele verwiesen auf die Möglichkeiten der elektronischen Post als Alternative zum Nachtluftpoststern, von Videokonferenzen zur Vermeidung von Geschäftsreisen, des Kaufes regionaler (Saison-)Produkte anstelle des Imports exotischer Produkte und des Verzichts auf (regelmäßige) Fernreisen.
Abwägungsprüfung: Ersatz von Kurzstreckenflügen durch Transporte mit der Bahn
Zu bewerten ist die mögliche Verlagerung von bisherigen Flugverkehr auf den Verkehrsträger Schiene im Kurz- und Mittelstreckenbereich unter Berücksichtigung der im europäischen Schnellbahnsystem vorgesehenen Verbindungen. Eine Bedarfsprognose hat auch die Entwicklungen zu berücksichtigen, die voraussichtlich zu einer Verringerung des Luftverkehrsaufkommens führen. Es handelt sich dabei u.a. um die Entwicklung folgender Faktoren:
Im Jahr 1997 wurde noch ein Anteil von 40 % (23 %) der Flugbewegungen auf dem Flughafen Frankfurt durch Kurzstreckenflüge unter 600 km (400 km) Flugstrecke verursacht.
Die Zielorte von 22 % der derzeitigen Flugbewegungen auf dem Frankfurter Flughafen, darunter auch Leipzig/Halle, Berlin, Brüssel, Amsterdam und Zürich, sind mit einer vierstündigen Bahnreise zu erreichen.
Schon bei diesem derzeitigen nahm der innerdeutsche Punkt-Punkt-Linienflugverkehr (ohne Umsteigen) auf Strecken parallel zur Bahn mit einer Bahnreisezeit unter 3 Stunden von 1991 bis 1998 um 42% ab (vgl. H.G. Ungefug, 2. Luftverkehrsanalyse, Berlin, 1998, S. 45). Zugleich wuchs der Bahnverkehr auf diesen Strecken um rund 50 %.
Nach der vollständigen Inbetriebnahme des Fernbahnhofs am Flughafen Frankfurt ergeben sich (vgl. H.G. Ungefug, 2. Luftverkehrsanalyse, Berlin, 1998, S. 34) erhebliche Verkürzungen der Bahnreisezeiten von Frankfurt nach:
Zielort | Zeit |
---|---|
Stuttgart | 1:02 |
Basel | 2:13 |
Hannover Messe | 2:15 |
Brüssel | 2:50 |
München | 2:58 |
Köln | 0:58 |
Amsterdam | 3:33 |
London (via Eurostar) | 5:30 |
Die europäischen Flughäfen London, Paris, Amsterdam, Berlin, Stendal (Berlin International) und Warschau werden nach der Transeuropäischen Netzplanung wie der Frankfurter Flughafen einen Bahnhofsanschluß an das europäische Schnellbahnnetz erhalten.
Die Deutsche Bahn AG wird ihre ICE Züge ab dem Bahnknoten Frankfurt zukünftig in jede Richtung im Halbstundentakt verkehren lassen.
Da Frankfurt damit über die zukünftig beste Bahnanbindung aller Flughäfen in Europa verfügt, besteht die Möglichkeit, daß relevante Teile der Kurzstreckenflüge auf die Eisenbahnen verlagert werden und damit ohne einen Ausbau ein Drittel der Flughafenkapazität (slots) für die Absicherung und den Ausbau der Hub-Funktionen frei gemacht werden können (vgl. "FRA 2000 PLUS" Flughafen Frankfurt Main AG, März 1999, Seite 99).
Der Rückgang innerdeutscher Flüge wird sich auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen beschleunigen; denn auf den zehr größten deutschen Flughäfen wind der innerdeutsche Linienfiugverkehr zwischen 1997 und 2002 erheblich (um rund 2/3) zurückgehen und damit ist zukünftig die Rentabilität der innerdeutschen Zubringerflüge gefährdet. (vgl. H.G. Ungefug, 2. Luftverkehrsanalyse, Berlin, 1998, S. 91)
Ein Vorteil der Bahn als Alternative zum Flugzeug liegt darin, daß die Passagiere mit Erreichen des Zielbahnhofes in das Herz der Städte und an die Knotenpunkte des Nah- und Regionalbahnverkehrs gebracht werden und damit interessante Vorteile im Vergleich der Gesamtreisezeit Bahn/Flug von Haus zu Haus entstehen.
Ein weiterer Vorteil der Bahn liegt im höheren Komfort für die Passagiere, die z.B. während einer längeren Reisephase konzentriert mit transportablem Computer und Telephon arbeiten können.
Bahn-Zubringerreisen zum Großflughafen erfahren zukünftig dadurch einen Komfortvorteil, weil das Gepäck am Ausgangsbahnhof zum Zielflughafen eingecheckt und durchgehend befördert werden kann.
Die zu prognostizierende weitgehende Verlagerung von Kurzstreckenflügen bis 600 km Distanz auf das Schnellbahnnetz der Bahnen bewirkt eine erhebliche Entlastung des Frankfurter Flughafens und erfordert eine Bewertung, ob für die verbleibenden Mittel- und Langstreckenflüge die Kapazität der drei bestehenden Bahnen des Flughafens nicht ausreicht.
Abwägungsprüfung: Verlagerung von Flügen auf benachbarte Flughäfen
Zur prüfen ist die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit bestehenden Flughäfen, z.B. der westdeutschen Flughafenallianz, und ihre Folgen für den Flughafen Frankfurt. Mit der attraktiven Anbindung des Frankfurter Flughafens über das Schnellbahnnetz der Bahnen an andere nicht ausgelasteten Flughäfen wie etwas Köln-Bonn, Düsseldorf und Stuttgart sowie zukünftig Hahn erweitern sich die Möglichkeiten, geeignete Luftverkehrsanteile auszulagern und dadurch in Frankfurt Flughafenkapazitäten für die Absicherung und den Ausbau der Hub-Funktionen freizumachen.
Die Verlagerung von Flügen auf den zukünftig in 58 Zugfahrtminuten erreichbaren und in seiner Kapazität nicht ausgelasteten Flughafen Köln-Bonn bewirkt zusammen mit den anderen bedarfsbeeinflussenden Faktoren, daß der Bedarf und damit die Planrechtfertigung für den Ausbau des Frankfurter Flughafens in Frage steht. Den Anwohnern des Frankfurter Flughafens ist insbesondere eine Beeinträchtigung durch zusätzlichen Fluglärm zur Nachtzeit nicht zumutbar, solange der Luftverkehrsbedarf auf einem nahe gelegenen anderen Flughafen außerhalb der Nachtzeit befriedigt werden kann.
Abwägungsprüfung: Bedarfsveränderung durch Erhöhung der Flughafengebühren
Die Bundesregierung strebt eine Erhöhung der Flughafengebühren an. Die spürbare Erhöhung der Gebühren für verkehrspolitisch unerwünschte innerdeutsche Flüge und für Flüge in das nahe europäische Ausland würde das erklärte Unternehmensziel der FRAPORT AG, möglichst viel Passagiervolumen auf Anschlußflügen von und nach anderen deutschen Flughäfen auf die Schiene zu verlagern, um slots für Fernflüge freizumachen, kurzfristig realisierbar machen.
Abwägungsprüfung: Standorteignung
Das Planungsvorhaben "Erweiterung des Flughafens Frankfurt" vermag sich nur dann gegenüber u.a. den Rechten der Anwohner auf Schutz ihrer Gesundheit gegenüber Fluglärm und den Rechten der betroffenen Städte und Gemeinden im Umfeld des Flughafens auf eine angemessene Eigenentwicklung durchzusetzen, wenn auch die Auswahl des geplanten Standortes für eine weitere Start- und Landebahn frei von Ermessensfehlern erfolgt.
Als Vollzug des Luftverkehrsgesetzes des Bundes steht die Standortplanung für einen Flughafen für die Planfeststellungsbehörde unter der Bindung an "Recht und Gesetz" (Art. 20 Abs. 3 GO).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Ausbau des Frankfurter Flughafens Grundsätze für die Planfeststellung und für die Standortwahl entwickelt, die es später auch auf Planungen nach anderen Fachplanungsgesetzen wie das Fernstraßenrecht und das Wasserrecht übertragen hat. Wesentlich für die benannte Rechtsprechung ist die Abgrenzung zwischen der planerischen Gestaltungsfreiheit auf der einen Seite und den rechtlichen Bindungen, denen die planende Behörde unterworfen ist, auf der anderen Seite. Die planerische Gestaltungsfreiheit und die mit ihr verbundene Einräumung eines Planungsermessens ergebe sich - auch ohne gesetzliche Erwähnung - aus der Übertragung der Planungsbefugnis auf die Planfeststellungsbehörde in Verbindung mit der Erkenntnis, daß die Befugnis zur Planung einen mehr oder weniger ausgedehnten Spielraum an Gestaltungsfreiheit einschließt und einschließen muß, weil Planung oder Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich wäre. Die rechtlichen Bindungen, denen die Planfeststellungsbehörde unterworfen ist, ergeben sich aus dem Inhalt und den Begrifflichkeiten, die das BVerwG in diesem Zusammenhang geprägt hat: Die Planungsrechtfertigung, die Planungsleitsätze und die Anforderungen des Abwägungsgebots (BVerwGE 48, 56 ; 55, 237 ).
Mit der Planungsrechtfertigung ist die Bedarfsfrage angesprochen; auf die oben bereits eingegangen wurde. Unter den Planungsleitsätzen hatte das BVerwG ursprünglich solche leitsatzartigen Planungsregelungen verstanden, wie sie in § 1 Abs. 4 und Abs. 5 BBauG in der 1969 geltenden Fassung niedergelegt waren und die mit der heutigen Regelung des § 1 Abs. 5 und § la BauGB nur noch entfernte Ähnlichkeit aufweisen (BVerwGE 34, 301 aus dem Jahre 1969 und auf die in BVerwGE 48, 56 erkennbar Bezug genommen wird).
Als "Planungsleitsätze" müssen heute nicht mehr und nicht weniger all diejenigen Regelungen mit Bezug auf das Planungsrecht verstanden werden, die der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planungsbehörden in der einen oder anderen Weise rechtliche Bindungen auferlegen. Hingegen muß - wie Gaentzsch, Richter am Bundesverwaltungsgericht, zutreffend festgestellt hat (Gaentzsch, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung - Das Verhältnis zwischen Fachrecht und Naturschutzrecht, NuR 1986, 89 ) - der Streit darüber, ob eine gesetzliche Regelung, die einen Bezug zum Planungsrecht hat, ein Planungsleitsatz im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG oder "nur" ein Abwägungse!ement sei als unfruchtbar bezeichnet werden. Gaentzsch weist zu Recht auf folgendes hin: Die Verbindlichkeit einer gesetzlichen Regelung hänge nicht davon ab, ob sie unter einen bestimmten Begriff, wie den des Planungsleitsatzes passe, der vom Bundesverwaltungsgericht unter dem methodischen Gesichtspunkt der Vorgehensweise bei der gerichtlichen Überprüfung von Planfeststellungsbeschlüssen entwickelt worden sei. Der Begriff habe, so wie ihn das BVerwG im Fachplanungsrecht früher verwendet habe, Verwirrung deshalb gestiftet, weil versucht worden sei, ihm bestimmte Rechtsvorschniften unterzuordnen, statt zu fragen, welchen Inhalt die jeweilige Vorschrift selbst habe und welchen Geltungsanspruch sie erhebe. Das sei inzwischen erkannt. In zwei Entscheidungen vom 22.3.1985 habe deshalb das Bundesverwaltungsgericht den Begriff "Planungsleitsatz" gleichsam zurechtgerückt (BVerwGE 71, 150; BVerwG NuR 1985, 320).
In der von Gaentzsch zweitzitierten Entscheidung heißt es, die fernstraßenrechtliche Planfeststellung habe keine "Konzentrationswirkung" der Art, daß gesetzliche Bestimmungen, die strikte Gebote oder Verbote ausdrückten, nur als Abwägungsmaterial zu beachten und demzufolge auch überwindbar seien. Gesetzliche Bestimmungen seien entsprechend ihrem eigenen Geltungsanspruch anzuwenden. Von strikten Geboten und Verboten, die auch durch Abwägung nicht überwindbar seien, seien solche Regelungen zu unterscheiden, die ihrem Inhalt nach nicht mehr enthielten als eine Zielvorgabe für den Planer und erkennen ließen, daß diese Zielsetzungen bei öffentlichen Planungen im Konflikt mit anderen Zielen zumindest teilweise zurücktreten könnten. Typisch seien hierfür Regelungen, mit einem Optimierungsgebot, das eine möglichst weitgehende Beobachtung bestimmter Belange fordere. Als Beispiel sind die "Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege" (§ 1 BNatSchG) zu nennen, die einem ausdrücklich im Gesetz genannten Abwägungsvorbehalt gegenüber den sonstigen Anforderungen an Natur und Landschaft unterliegen. Die Bedeutung solcher Vorschriften besteht darin, den in ihnen enthaltenen Zielvorgaben ein besonderes Gewicht zuzumessen und insoweit die planerische Gestaltungsfreiheit einzuschränken (BVerwG NuR a.a.O.).
Der planerischen Gestaltungsfreiheit wird nicht nur durch die Planrechtfertigung und die Planungsleitsätze, sondern auch aus den Anforderungen des Abwägungsgebotes eine Bindung auferlegt. Nach der Rechtsprechung des BVerwG verlangt das Abwägungsgebot, daß - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, daß - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, und daß - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr im Gegenteil ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese Gerichtskontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebotes daher auf die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat (BVerwGE 48, 56 weis auf BVerwGE 34, 301 ; 45, 309 ; BVerwG BauR 1975, 35 [36]).
Zur Standortauswahl fordert das Bundesverwaltungsgenicht in ständiger Rechtsprechung, daß sich die Anforderungen des Abwägungsgebotes auch und gerade an das Berücksichtigen von planerischen Alternativen richten. Danach müssen ernsthaft sich anbietende Alternativlösungen überhaupt in die Abwägung einbezogen werden. Diese Alternativen müssen ferner mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von ihnen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belangen Eingang finden. Schließlich darf - auf der Ebene des Abwägungsergebnisses - die Bevorzugung einer bestimmten Lösung nicht auf einer Bewertung beruhen, die zur objektiven Gewichtigkeit der von den möglichen Alternativen betroffenen Belange außer Verhältnis steht.
Ein betroffenen Grundstückseigentümer oder sonstiger Dritter kann das Nichtberücksichtigen von Alternativen, die z.B. seine geschützten Belange weniger oder gar nicht nachteilig berühren, rügen, wenn dies abwägungsfehlerhaft geschehen ist.
In weiteren Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgenicht zur Trassen- bzw. Standortwahl in Planungen nach dem Fernstraßengesetz und dem Luftverkehrsgesetz Stellung genommen. In der einen Entscheidung hatte das Gericht einen Verstoß gegen das Abwägungsgebot darin gesehen, daß "die Planfeststellungsbehörde ernsthaft in Betracht kommende Planungsvarianten nicht beachtet". Dies setzt jedoch voraus, daß "eine bestimmte Alternativlösung sich nach Lage der Dinge anbietet oder aufdrängt"; dies sei nicht schon dann anzunehmen, wenn die gefundene Lösung "nicht als zwingend angesehen werden kann" (BVerwGE 69, 256 [273]).
In der zweiten Entscheidung hatte das BVerwG zur Trassenwahl einer Bundesfernstraße ausgeführt: "Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot kann auch darin liegen, daß die Planungsbehörde eine von der Sache her naheliegende Alternativlösung verworfen hat, durch die die mit der Planung angestrebten Ziele unter geringeren Opfern an entgegenstehenden öffentlichen und privaten Belangen hätten verwirklicht werden können." (BVerwGE 71, 166 [171f])
In der dritten Entscheidung hatte das BVerwG zur Standortwahl eines Flughafens folgendes ausgeführt:
"Die Wahl eines objektiv ungeeigneten Standortes hält sich nicht mehr im Rahmen der planerischen Gestaltungsfreiheit. Wann ein Standort in diesem Sinne ungeeignet ist, läßt sich allerdings nicht ohne Berücksichtigung der mit dem Vorhaben verfolgten Ziele und der bestehenden raumordnerischen, landesplanerischen und fachspezifischen Voraussetzungen beurteilen. Die Geeignetheit eines Standortes ist insoweit regelmäßig von einer Abwägung unterschiedlicher, teilweise gegenläufiger Belange öffentlicher und privater Art abhängig. Diese Abwägung ist nicht Sache des Gerichts. Die Rechtsprechung ist vielmehr auf die Prüfung beschränkt, ob die vorgenommene Abwägung nach Vorgang und Ergebnis keine rechtserheblichen Mängel aufreist. Die hierzu erhobenen Angriffe der Kläger bleiben erfolglos. ... (wird ausgeführt). Die Rechtsprechung hat bislang kaum Veranlassung gehabt, rechtliche Maßstäbe für die Überprüfung der Auswahl eines Standortes unter mehreren geeigneten Standorten zu entwickeln. Der erkennende Senat hat hierzu nur ausgeführt, daß es um die Frage gehe, ob sich an einem anderen Standort eine bessere Lösung - auch für die betroffene Umgebung - finden lasse (vgl...). Auch der vorliegende Fall verlangt nicht, in eine nähere Erörterung der rechtlichen Maßstäbe einzutreten. Allerdings ist es verfehlt oder zumindest mißverständlich, wenn das Berufungsgericht meint, die Planfeststellungsbehörde habe den beantragten Standort im Hinblick auf einen Alternativstandort nur dann zu verwerfen, wenn sich ihr dieser als "eindeutig besser geeignet" aufdrängen müsse. Für die von der Planfeststellungsbehörde vorzunehmende Abwägung der einzustellenden Belange kommt es stets darauf an, rechtsmindernde Eingriffe nach Möglichkeit zu vermeiden. Dabei kann es zu rechtlich erheblichen Fehigewichtungen bereits dann kommen, wenn die Behörde die Bedeutung der (objektiv) betroffenen öffentlichen und privaten Belange in einer Weise vorgenommen hat, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwGE 56, 110 [123]). Wenn die Planfeststellungsbehörde infolge einer derartigen Fehlgewichtung die Vorzugswürdigkeit eines anderen Standortes verkennt, handelt sie rechtswidrig. In der Rechtsprechung des erkennenden Senates wird hierzu nicht vorausgesetzt, daß sich der Behörde ein anderer Standort als " offensichtlich" besser geeignet aufdrängen mußte." (BVerwGE 75, 214 [236])
Zu Recht haben in dieser Entscheidung Gassner und Schmidt ein Abrücken des Bundesverwaltungsgenichts von seiner Entscheidung vom 20.7.79 gesehen. Denn nunmehr betont das Gericht, daß die Auffassung, der beantragte Standort müsse im Hinblick auf einen Alternativstandort nur dann verworfen werden, wenn sich letzterer als "eindeutig besser geeignet" aufdränge, verfehlt oder zumindest mißverständlich sei.
Abwägungsprüfung: Gesundheit und des körperlichen Wohlbefindens
Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) schützt den Staatsbürger nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Vielmehr folgt darüber hinaus aus den objektiv-rechtlichen Gehalt dieses Grundrechts die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die in Art. 2 Abs. 2 GG genannten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren. Diese zunächst im Urteil zur Fristenlösung (BVerfGE 39, 1 (41)) entwickelte und im Schleyer-Urteil (BVerfUE 46, 160 (164)) bestätigte Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht in zwei frühen Atomrechts- Entscheidungen inzwischen auch auf den Umweltschutz angewandt (BVerfGE 49, 89 (141) - Kalkar; BVerfUE 53, 30 (57) - Mülheim-Kärlich).
Die aus Art. 2 Abs. 2 GG folgende Schutzpflicht beschränkt sich nicht auf einen Schutz der körperlichen Unversehrtheit in biologisch-physiologischer Hinsicht, sondern erstreckt sich auch auf den geistig-seelischen Bereich, also das psychische Wohlbefinden (Kloepfer, Zum Grundrecht auf Umweltschutz, 1978, 5. 28) und umfaßt auch das soziale Wohlbefinden.
Der Begriff der körperlichen Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG ist mit dem Begriff der Gesundheit gleichzusetzen, wie ihn die Weltgesundheitsorganisation in ihrer Satzung vom 22. Juli 1946 definiert hat. Fluglärmfolgen sind daher nicht nur wegen somatischer, sondern bereits wegen solcher psychischer und das soziale Wohlbefinden beeinträchtigender Auswirkungen zu bekämpfen, die über die Grenzen des sozial Adäquaten hinausgehen. Denn in der genannten Satzung wird als Gesundheit " der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen" bezeichnet. Als gesundheitliche Beeinträchtigung in diesem Sinne ist Fluglärm schon deswegen geeignet, weil er die Kommunikation im weitesten Sinne stört, den Erholungswert der Wohnung und ihres Umfeldes herabsetzt, Konzentration und Aufmerksamkeit mindert, Nervosität und Irritiertheitsgefühle verursacht sowie Erschrecken, Verärgerung und Furchtassoziationen auslöst (vgl. etwa Rohrmann und Oeser, in: Umweltrecht im Wandel, Materialdienst Nr. 18/79 der Evangelischen Akademie Bad Boll, S. 92 ff.).
Gegen die Zugrundelegung des weiten Gesundheitsbegriffs der Weltgesundheitsorganisation läßt sich nicht überzeugend einwenden, es sei - wenn das dem Willen des Verfassungsgesetzgebers entsprochen hätte - schwer erklärlich, daß der Parlamentarische Rat diesen seit 1946 bekannten Begriff nicht übernommen, sondern statt dessen nur die "körperlich Unversehrtheit" grundrechtlich geschützt hat. Denn eine Beschränkung des Schutzes allein auf solche Einwirkungen, die Verletzungen des Körpers darstellen, wird der Bedeutung dieses Grundrechts jedenfalls dann nicht gerecht werden, wenn es im Lichte des Art. 1 GG und der darin verbürgten Unantastbarkeit der Menschenwürde ausgelegt wird (BVerfG Beschluß vom 14. Januar 1981 Az. 1 BvR 612/72).
Auch ist eine solche Beschränkung nicht mit dem Verständnis des Menschen als einer Einheit von Leib, Seele und Geist und mit der Wechselwirkung zwischen psychischen und physischen Gesundheitsstörungen vereinbar.
Verfassungsrechtlich wird nur eine weite Auslegung der Funktion des Grundrechts als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe etwa durch psychische Folterungen, seelische Quälereien und entsprechende Verhörmethoden gerecht. Da die Einfügung gerade dieses Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit auf Erfahrungen der Nazi-Herrschaft beruhte, darf dieser Gesichtspunkt nicht vernachlässigt werden. Das Grundrecht erfaßt daher solche zumindestens nichtkörpenlichen Einwirkungen, die ihrer Wirkung nach körperlichen Eingriffen gleichzusetzen sind. Das sind jedenfalls solche, die das Befinden einer Person in einer Weise verändern, die der Zufügung von Schmerzen entspricht.
Diese Auslegung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgenichts. So wurde die Frage, ob hirnelektrische Untersuchungen in die körperliche Unversehrtheit eingreifen können, nicht etwa von vornherein verneint, sondern wegen der Harmlosigkeit solcher Untersuchungen offengelassen (BVerfGE 17, 108, 114 f.).
In der Entscheidung zum Räumungsschutz ist die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers und die Gefahr von Selbstmorden als relevant im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG angesehen worden (BVerftiE 52, 214, 220 f.).
Die weite Auslegung des Grundrechts entspricht auch den Lärmschutzvorschriften. Schon die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 16. Juli 1968 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 vom 26. Juli 1968) und vor allem das Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 bezeichnen Geräusche, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, "Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft" herbeizuführen, als schädliche Umwelteinwirkungen. Die gleichen Kriterien verwenden die durch das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm geänderten und neu eingeführten Vorschriften der §§ 29, 29a LuftVG. Auch das geplante Verkehrslärmschutzgesetz erstrebte einen Schutz gegen "erheblich belästigende und billigerweise unzumutbare Lärmeinwirkungen" (BTDrucks). 8/3730, S.4).
Die staatliche Schutzpflicht begründet sich schließlich daraus, daß der durch den Betrieb von Verkehrsflughäfen entstehende Fluglärrn somatische Folgen in Gestalt von Schlafstörungen hat und damit auf die körperliche Unversehrtheit einwirkt.
Allerdings ist die Forschung bislang noch nicht zu abschließenden Ergebnissen gelangt: Schon in dem 1974 erschienenen Forschungsbericht der Deutschen Forschungsgemeinschaft über Fluglärmwirkungen wird zusammenfassend festgestellt (Bd. 1 Hauptbericht, S. 422), nach den durchgeführten medizinischen Untersuchungen werde eine vorwiegend gesunde Bevölkerung durch den heute üblichen Fluglärm im Durchschnitt nicht in einer Weise beeinflußt, daß klinisch relevante Störungen auftreten würden. Gleichwohl lasse sich eine Gefährdung aus den anamnestisch angegebenen Schlafstörungen und aus dem Blutdruckverhalten im Hinblick auf einen Risikofaktor für die Entstehung einer essentiellen Hypertonie vermuten, wenn auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beweisen. Hinweise auf andere gesundheitliche Gefährdungen durch Fluglärm hätten sich nach den Untersuchungsergebnissen nicht gefunden (vgl. auch die 1978 veröffentlichte Studie von Rohrmann u.a. über Fluglärm und seine Wirkung auf den Menschen, S. 218 f., sowie die Zusammenstellung des Arbeitskreises 14 - Fluglärm - der Projektgruppe Lärmbekämpfung beim Bundesminister des Innern, 1978, Anhang G, S. 5 f.).
Mit dem DFG-Forschungsbericht befaßt sich Prof. Jansen in seinem Medizinischen Gutachten über die Auswirkungen von Fluglärm, das er 1977 im Verfahren zur Genehmigung der geplanten Erweiterung des Düsseldorfer Flughafens erstattet hat. Nach seiner Auffassung lassen sich somatische Auswirkungen durch Fluglärm nicht ausschließen; allerdings sei zu prüfen, bei welchem Grenzwert eine medizinisch unzumutbare Belastung beginne. Als Auswirkungen des Fluglärms nennt der Gutachter im Anschluß an den DFG-Forschungsbericht (S. 21 des Gutachtens) die Beeinträchtigung von Kommunikation sowie die Störung von Ruhe und Entspannung (Regeneration). Es zeige sich eine beachtliche sozial-psychologische Verärgerungsreaktion, die als die wichtigste Störgröße neben den anderen Ergebnissen überhaupt ermittelt werden könne. Neben dieser im Bereich der Soziologie und Psychologie liegenden Störung trete beim Einsetzen der Fluglärmgeräusche immer wieder eine psychophysiologische Defensivreaktion auf. Somatische Auswirkungen u. a. auf den Kreislauf seien nicht auszuschließen, so daß gefolgert werden könne, daß Lärm zu den Risikofaktoren gezählt werden müsse. Die Ergebnisse der psychophysiologischen Experimente könnten die Hypothese einer adaptiven Bewältigung des Fluglärms bei Anwohnern von Flughäfen nicht mehr stützen.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse bewirkt Fluglärm eine nicht unerhebliche Gefährdung der durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten körperlichen Unversehrtheit. Dies wurde schon im Hearing des Bundestags-Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen vom 8. November 1978 zum Entwurf des gescheiterten Verkehrslärmschutzgesetzes bestätigt (vgl. StenProt. der 39. Sitzung, S. 45 ff.). Die Mehrheit der Experten sowie der sachverständigen Behörden und Verbände vertraten dort die Auffassung, daß erheblich belästigender Verkehrslärm ein Gesundheitsrisiko darstelle, daß hingegen wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse darüber, ob und ab welchen Pegelwerten bei Verkehrslärm Gesundheitsschäden physiologischer Art auftreten könnten, zur Zeit nicht bekannt seien (dazu ausführlich die Ausschußdrucksache 0162 vom 18. September 1978, S. 63 if.).
Diese Erkenntnislücke wird zunehmend geschlossen. In einer Literaturstudie des Umweltbundesamtes ("Fluglärmwirkungen", 2000) empfiehlt die Behörde dem Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages für eine gesetzliche Neuregelung folgende beachtlichen Belastungsbereiche (tag/nachts): erhebliche Belästigungen ab 55/45 dB(A), Gesundheitsbeeinträchtigungen präventiv-medizinisch zu befürchten ab 60/55 dB(A) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ab 65/55 dB(A). In der im Juni 2001 von allen führenden deutschen Lärmwirkungsforschern ohne Widerspruch verabschiedeten "Resolution von Neufahrn" werden folgende beachtlichen Belastungsbereiche (tag/nachts) formuliert: Erhebliche Belästigungen ab 55/45 dB(A) und Gesundheitsbeeinträchtigungen präventiv-medizinisch zu befürchten ab 60/50 dB(A).
Daß auch eine auf Grundrechtsgefährdungen bezogene Risikovorsorge von der Schutzpflicht der staatlichen Organe umfaßt werden kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits mehrfach zum Ausdruck gekommen (vgl. BVerfGE 49, 89 (140 if.) -Kalkar; ferner BVerfGE 53, 30 (57) - Mülheim-Kärlich; BVerfGE 52, 214 (220) - Vollstreckungsschutz). Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht könne - so heißt es in der Kalkar-Entscheidung - eine solche Ausgestaltung der rechtlichen Regelungen gebieten, daß auch die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibe; ob, wann und mit welchem Inhalt eine solche Ausgestaltung von Verfassungs wegen geboten sei, hänge von der Art, der Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts sowie von den schon vorhandenen Regelungen ab. Die aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) herleitbare Schutzpflicht des Staates umfaßt daher auch die Pflicht zur Bekämpfung von gesundheitsgefährdenden Auswirkungen des Fluglärms.
Abgestufte Prüfung der Gesundheitsschutzes gegenüber Fluglärm
Die vom Flugbafenausbau betroffenen Bürger haben erstens ein subjektiv öffentliches Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen rechtlich geschützten Belange, (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O., S. 342) insbesondere des Schutzes vor Fluglärm, und zweitens Ansprüche darauf, daß ihre Interessen am Schutz vor Fluglärm durch Schutzauflagen (nach § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG) zu Lasten des Flughafenbetreibers gewahrt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998,Az. 11 A 1/97). Hinsichtlich der maßgeblichen Schutzziele und Lärmgrenzwerte ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie folgt zu unterscheiden:
Auch bei Fluglärm stellt die Gebietskategorie, zu der das betroffene Grundstück gehört, ein wesentliches Kriterium für die Zumutbarkeit einer Lärmbelastung dar. Die Behörde kann die Betrachtung aber aus verwaltungsökonomischen Gründen auf die Betroffenheit des Gesamtgebietes beschränken und ein entsprechendes "Schutzgebiet" sowie ein Schutzziel festsetzen mit der Folge, daß Schallschutzvorkehrungen dort in einer Art Meistbegünstigung gewährt werden. Auch Anwohner außerhalb des "Gebiets", die - gemessen am ausgewiesenen Schutzziel - einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt sind, haben Anspruch auf Vorkehrungen, entbehren lediglich des "argumentativen Vorteils", daß sie innerhalb des ausgewiesenen Schutzgebiets gelegen sind (vgl. BVerwG, NVwZRR 1991, 603, 610).
Zumutbarkeitsgrenze am Tage
Nach der Rechtsprechung ist unter Umständen je nach den Verhältnissen des Einzelfalls die Festlegung einer Schutzgebietsgrenze nach einem äquivalenten Dauerschallpegel (67 dB(A)) zusammen mit dem Schutzziel vertretbar, daß Einzelschallpegel im Rauminnern eine bestimmte Höhe (von z.B. 55 dB(A) zur Vermeidung von Kommunikationsstörungen) nicht überschreiten dürfen. Eine mit der Schutzgebietsfestlegung trotz unter Umständen bestehender Vorbelastung verbundene Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze wird mittels der Festlegung des Schutzziels für das Rauminnere kompensiert (BVerwG, a.a.O., S.611).
In der jüngeren Rechtsprechung bezeichnete das OVG Hamburg (Industrieflugplatz Finkenwerder) einen äquivalenten Dauerschailpegel von Leq(3) tags - 55 dB(A) und fünf tägliche Spitzenpegel von Lmax 75 dB(A) angesichts der eingeschränkten Schutzwürdigkeit des Klägergrundstflckes noch als zumutbar (Az. Bf III 4 1/96).
Das Bundesverwaltungsgericht läßt in der Münchner Flughafenentscheidung vom 29. Januar 1991 (Az. 4 C 51.89) eine Schwelle von tags Leq 67 dB(A) an der Außenwand für aktiven Schalischutz und von 55 dB(A) im Rauminnern für passiven Lärmschutz in einem lärmvorbelasteten Gebiet unbeanstandet. Zugleich wurde ein Entschädigungsanspruch für die Nutzungseinschränkung der Außenwohnbereiche für Gebiete bestätigt, in denen der logarithmisch gemittelte Spitzenpegel auf Werte bis über 90 dB(A) ansteigen kann; der Planfeststellungsbeschluß sah für dies Gebiet passiven Schalischutz zugunsten von Pegeln im Rauminnern im Einzelfall bis auf 45 dB(A) vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat im weiteren Urteil vom 29. Dezember 1998 (Az. 11 B 21/98) zum Flughafen München II die Zumutbarkeitsschwelle mit Leq 64 dB(A) für die Außenwand am Tage bestimmt.
Das OVG Lüneburg sieht im Urteil zum Flughafen Hannover vom 26. Mai 2000 (Az.- 12 U 1303/99) eine Gefährdung bzw. Belästigung tags erst ab 19 Schallereignissen von 99 dB(A) als gegeben an.
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht sieht im Urteil vom 3. September 2001 im Falle einer erheblichen Lärmvorbelastung eine "begrenzte Anzahl" von Uberflügen im Rauminnern von mehr als Lmax 55 dB(A) als zumutbar an.
Zumutbarkeitsgrenze nachts
Das Bundesverwaltungsgericht bestimmt im Urteil vom 27. Oktober 1998 zum Flughafen Erfurt (Az. 11 A 1/97) die Zumutbarkeitsschwelle zur Nachtzeit für lärmvorbelastete Anwohner mit dem "JansenKriterium" von sechs Überflügen von Lmax 75 dB(A) außen und 60 dB(A) im Innern und bestätigt das Schutzziel für passive Schallschutzmaßnahmen von Leq 55 dB(A) im Innern.
Das jüngste Hamburger Urteil vom 3. September 2001 bestätigt Schutzziele im Rauminnem von Leq(3) 36 dB(A) und Lmax 55 dBA) für die Zeit von jeweils 22 bis 01 Uhr, wenn spätere Nachtflüge "selten" sind.
Fluglärmschutzgesetz
In Gerichtsentscheidungen zum Ausbau von Flughäfen wurde die Frage aufgeworfen, ob mit den wenig restriktiven Lärmschutzbestimmungen des geltenden Fluglärmgesetzes die Schutzpflichten des Gesetzgebers verletzt werden (vgl. OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93; BVerfGE 56, 54, 73).
Das OVG Koblenz vertritt dazu die Rechtsauffassung, daß für das Planungsrecht die §§ 6, 8, 10 und 29 b des Luftverkehrsgesetzes eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Schutz der Flughafennachbarn bilden und die Aufgabe der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der zu vermeidenden "Nachteile" im Einzelfall im Wege verfassungskonformer Auslegung hinreichende Gewähr bietet, daß die Grundrechte der Betroffenen gewahrt werden können (vgl. BVerfGE 79, 174, 194 f.; dazu auch: Broß, Verwaltungsarchiv 1989, 395, 397 f.; Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, § 9 Rdnr. 53; Herrmann, Dissertation Berlin, Schutz vor Fluglärm, 1994, S. 281 if.).
Im Grundsatz ist nach allgemeinen Regeln bei der Abschätzung der Lärmauswirkungen eines uneingeschränkt zu genehmigenden Verkehrsflughafens von der Auslastung der Kapazität im Sinne einer leichten Überlastung auszugehen (vgl. Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 6 Rdnr. 51 "bw overload"; OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93).
Andererseits kommt es nicht darauf an, ein bloß theoretisch bestimmtes Maß der Ausschöpfung der Kapazitäten zugrundezulegen. Erforderlich ist zwar eine Betrachtung des "Worst-Case", diese muß jedoch an den realen Erwartungen orientiert bleiben. Unvorhersehbare Entwicklungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVtO sind außerhalb des Prognosehorizonts angesiedelt. Einzelheiten des Betriebs können in einer Prognose offenbleiben, soweit dem Problem mit gesonderten Maßnahmen Rechnung getragen werden kann. Näherliegenderen Abweichungen von den zugrunde gelegenen Annahmen kann - ohne daß die Planfeststellung ihrem Inhalt nach auf den Prognosehorizont festzuschreiben wäre - dadurch Rechnung getragen werden, daß ein an bestimmte Kriterien geknüpfter Regelungsvorbehalt eine Konfliktlösung offenhält (vgl. OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93).
Zum Schutz vor Fluglärm zählen die Abwehr enteignungsgleicher Wirkungen des Lärms insbesondere für die ihr Wohneigentum nutzenden Anwohner, die Abwehr unzumutbarer Lärmeinwirkungen so wie der unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegende, aber nicht unerhebliche Fluglärm. Zu berücksichtigen ist auch das gesetzliche Gebot zur Fbuglärmminimierung in § 29b LuftVG. Zur Aufgabenstellung des Schutzes vor Fluglärm zählt aber auch die Berücksichtigung der Lärmminderungspläne der Gemeinden oder der nach dem hessischen Landesrecht zuständigen Behörden (§ 47 a BImSchG) und - soweit in den Lärmminderungsplänen noch nicht geschehen - die Ermittlung und Berücksichtigung der Gesamtlärmimmissionen des Straßenverkehrs, des Schienenverkehrs, von Gewerbe und Industrie und des Luftverkehrs, zu der sich der Fluglärm des Erweiterungsteiles des Frankfurter Flughafens addieren soll.
Zu der Ermittlung der Behörde zum Fluglärm und der Abwägung dieses Belanges sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Grundsätze entwickelt worden. Die planenden Behörden entscheiden im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen auch darüber, auf welche Weise sie den Belangen des Lärmschutzes Rechnung tragen wollen.
Bedeutung für die Abwägung kommt zuerst dem über der von der Rechtsprechung so genannten Enteignungsschwelle liegenden Lärm zu. Bewirkt das Maß des Lärms faktisch eine Enteignung, dann greift die Planung in ganz gravierender Weise in privates Eigentum und letztlich die Siedlungsstrukturen ein. Der planenden Behörde kommt nicht die Ermächtigung zur zwangsweisen Absiedlung zu (BVerwGE, 75, 214, 260).
Die mittelbaren Einwirkungen würden in einem solchen Fall jegliche Zumutbarkeit überschreiten und könnten nicht mehr durch bloße Schutzauflagen oder Entschädigungszahlungen im Sinne des § 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ausgeglichen werden. Soweit die Belange in der Planungsentscheidung zugunsten der Durchsetzung des Vorhabens überwunden werden könnten, wäre die Gewährleistung einer Entschädigung auf entsprechendes Übernahmeverlangen hin (Absiedlungsangebot) erforderlich.
Abwägungsrelevant sind auch die im Sinne des Fachgesetzes (§ 9 Abs. 2 LuftVG) "unzumutbaren" Lärmeinwirkungen. Für sie ist eine gesetzlich ausgeformte, im Wege der Abwägung nicht überwindbare Grenze errichtet. Erforderlich ist in diesem Fall die Sicherstellung eines physisch-realen Ausgleichs, jedoch erst nachrangig, nämlich dann, wenn sich die planende Behörde abwägungsfehlerfrei nicht in der Lage sieht, die Problembewältigung durch eigene planerische Regelung - etwa Betriebsregelungen - zu leisten (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1991, 603 ff.).
Schließlich ist auch der unterhalb der Zumutbarkeitsschwelbe liegende, aber nicht unerhebliche Fluglärm für die Abwägung bedeutsam (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 1990, NVwZ-RR 1991, 118 <125> sowie Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10 S. 8).
Wie die oben geführte Prüfung der Reichweite des Schutzes des Grundrechtes aus Art. 2 GG belegt, umfaßt der Fbuglärmschutz auch die Pflicht zur Bekämpfung von gesundheitsgefährdenden Auswirkungen des Fluglärms. Dazu zählen fluglärmbedingte Störungen des nächtlichen Schlafes auch unterhalb der Aufweckschwelle, wenn sie geeignet sind, die Gesundheit der Anwohner des Flughafens zu gefährden (OVG Lüneburg Urteil vom 09. Juni 1997 Az. 12 K 325/96 <Hannover-Langenhagen>).
Dies anerkennt auch § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, der eine Pflicht des Flugplatzhalters, der Luftfahrzeughalter und -führer zur Beschränkung von Fluglärm regelt, wenn dies erforderlich ist, um die Bevölkerung vor "erheblichen Belästigungen" zu schützen. Unerheblich ist nur der Fluglärm, der lediglich als nur geringfügig zu bewerten ist.
Dauerschallpegel
Die grundsätzlich den Lärmuntersuchungen zugrunde gelegten Methoden sind in der Vergangenheit auf Kritik gestoßen. Das OVG Koblenz hat sich damit auseinandergesetzt und im Urteil vom 01. Juli 1997 (Az. 7 C 11843/93) diese als dem in Wissenschaft und Technik anerkannten Stand entsprechend bewertet, insbesondere was "die Ermittlung von Dauerschallpegeln, Einzelschallpegeln und die Berücksichtigung des der Prognose zugrunde gelegten Fluggeräts angeht."
Es wird erwogen, die Berechnungen nach dem Fluglärmgesetz wegen der Eigentümlichkeiten von dessen Anwendungsbereich und je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls durch Heranziehung anderer Regelwerke zu ergänzen.
Für die wesentlichen mit der Fluglärmproblematik verbundenen Fragen bietet sich indessen - so das OVG Koblenz - nach "anerkannter Auffassung unter den einschlägigen Sachverständigen kein vergleichbares so umfassend methodisch entwickeltes Regeiwerk an". Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß insbesondere die Anwendung der Anleitung zur Berechnung (AzB) zum Fluglärmgesetz (vgl. ursprüngliche Fassung GMBI. 1975, 162) und die Heranziehung von bestimmten Grenzwerten für Planungsverfahren modifiziert werden und gegebenenfalls eine Korrektur durch Abgleich mit sonst in Betracht zu ziehenden Regelwerken in Frage kommt.
Bei der Betrachtung des Dauerschallpegels berücksichtigt das OVG Koblenz in seinem Urteil zur Konversion des Flughafens Hahn, daß der der Berechnung nach dem Fluglärmgesetz zugrunde liegende Leq (4) im Bereich höherer Flugbewegungszahlen die Lärmwirkungen nach anderen Regelwerken, wie etwa den DIN-Bestimmungen (DIN 45 643), entsprechend erfasse (dort Leq (3)), indessen bei geringeren Gesamtzahlen die DIN-Bestimmungen im unteren Bereich ca. 4-5, sonst 2-3 dB(A) strenger seien; bei sehr hohen Flugbewegungszahlen sei die Beurteilung nach dem Fluglärmgesetz strenger.
Der Dauerschallpegel ist nach der in der Rechtsprechung vertretenen Meinung in aller Regel "der angemessene Maßstab für die Erfassung einer regelmäßig in Erscheinung tretenden Vielzahl von Fluglärmereignissen" (vgl. OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93). Grenzen der Aussagekraft werden aber bei unregelmäßig in Erscheinung tretenden Belästigungen und bei solchen, die im Hinblick auf ihre Sozialakzeptanz eher Freizeitlärmerscheinungen vergleichbar sind. Ergänzend kommt eine Betrachtung nach DIN 4109 bzw. VDI 2719 in Betracht, insbesondere wenn der Dauerschallpegel durch besonders hohe Spitzenpegel zustandekommt.
Einzelschallpegel
Für Fragen der Kommunikationsstörung und der Gesundheitsbeeinträchtigung durch Schlafstörungen ist auf Maximalpegel abzustellen. Die Heranziehung der mittleren Maximalpegel nach der AzB ist - wie auch die Zielrichtung und Entstehungsgeschichte des Regelwerks zum Fluglärmgesetz zeigt - "nicht völlig sachangemessen und unproblematisch" (vgl. OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93). Da es insoweit nicht um die Ermittlung eines Mittelungspegels geht, sondern um die unmittelbaren Wirkungen auf den Menschen, ist an sich nur die Heranziehung der um einen mittleren Maximalpegel streuenden Einzelpegel angemessen. Die Betrachtung der Streubreiten kann gegebenenfalls sogar zur Ausweisung eines kleineren Schutzgebiets führen, wenn etwa der die Gruppe repräsentierende Wert gerade über dem Schwellenwert liegt, obwohl in diesen Fällen die an sich geforderte Häufigkeit nicht erreicht wird, denn definitionsgemäß liegen über die Hälfte der Ereignisse unterhalb des maßgeblichen Einzeiwertes (Mittelwertes). Andererseits können obere Streuwerte einer niedrigeren AzB-Klasse von Flugzeugen in die höheren Klassen "hineinstreuen", so daß für ein genaues Bild insoweit differenzierte Untersuchungen erforderlich wären.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Flughafen München II ein Schutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses gebilligt, das dem Flughafenunternehmer aufgab, für Schallschutzvorrichtungen an Aufenthaltsräumen Sorge zu tragen; diese Schallschutzvorrichtungen hatten zu gewährleisten, daß durch An- und Abflüge vom Flughafen im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern keine höheren Schalbpegel als 55 dB(A) auftreten. In näher bezeichneten Gebieten, in denen der logarithmisch gemittelte Spitzenpegel im Freien auf Werte bis über 90 dB(A) ansteigen kann, wurde neben der Gewährung einer Entschädigung wegen Nutzungsbeeinträchtigung der Außenwohnbereiche bestimmt, daß der Schalipegel im Rauminnern im Einzelfall bis auf 45 dB(A) mittels Schallschutzvorrichtungen herabzudämmen sei. Mit der Angabe dieser Schallpegel als Schutzziel habe die Planfeststellungsbehörde, so das Bundesverwaltungsgericht, die Zumutbarkeitsgrenze im Sinne von § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zutreffend konkretisiert (BVerwG Urteil vom 29. Januar 1991, Az. 4 C 5 1/89).
Schon im Umweltgutachten 1987 der Bundesregierung (vgl. a.a.O. S. 394) wird der Interdisziplinäre Arbeitskreis mit der Forderung zitiert, daß im Wohnbereich nicht nur eine gute Sprachverständlichkeit bei mittlerer Sprechweise, sondern auch bei entspannter Unterhaltung mit ruhiger Sprechweise über Entfernungen von mehr als 1 m gegeben sein soll. Dies sieht der Arbeitskreis als erreicht an, wenn die Innengeräuschpegel während der Kommunikation in Form von Kurzzeitmittlungspegeln 40 dB(A) nicht übersteigen. Jedoch betont das Umweltgutachten gleichzeitig, daß bei Geräuschen, die sich aus lauten Einzelereignissen mit ausreichenden Pausen zusammensetzen, die Verlagerung der Kommunikation in die Geräuschpausen bis zu einem gewissen Grad zuzumuten sei. Insoweit wird den Unterschieden zwischen Dauergeräuschen und Einzellärmereignissen Rechnung getragen. Schließlich weist das Gutachten auch darauf hin, daß die angegebenen Schwellenwerte hinsichtlich der Unzumutbarkeit den Bedingungen entsprechend zu modifizieren seien. Daraus wird nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29. Januar 1991, Az. 4 C 5 1/89) deutlich, daß selbst für die Situation bei Dauergeräuschen der genannte Schallpegel nicht die Zumutbarkeitsgrenze im Rechtssinne markiert. Dem entspricht es, daß ausweislich einer im Umweltgutachten abgedruckten Tabelle über den Zusammenhang zwischen akustischen Werten und Lärmwirkungen als Maximalpegel für eine 99%ige Satzverständlichkeit 55 dB(A) angegeben werden.
Anspruch auf passiven Schallschutz
Soweit Anwohner einen Anspruch auf Kostenersatz für den Einbau von Schallschutzfenstern mit schallgedämpfter Lüftung haben, ist damit ihr Anspruch auf Frischluftversorgung der Wohnung gewährleistet (BVerwG Urteil vom 01. Oktober 1997 Az. 11 A 10/96). Ihr Einwand, das Leben mit ständig geschlossenen Fenstern sei unzumutbar, ist rechtlich nicht relevant, denn er überschreitet nach Meinung der Rechtsprechung die gesetzlich geregelten Schutzansprüche.
Ausgleichsanspruch in Geld
Sind nach Bewertung der Planfeststellungsbehörde "Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen" des Flughafenbetriebs auf die Rechte der Anwohner (aktive oder passive Schallschutzmaßnahmen) "untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar" (§ 74 Abs. 2 Satz 3 HVwVfO), hat die Planfeststellungsbehörde dem Vorhabenträger einen angemessenen Ausgleich in Geld aufzuerlegen. Diese Vorschrift bleibt von den einschränkenden Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 und 2 Satz 1 BImSchG nach § 42 Abs. 2 Satz 2 BImSchG unberührt (BVerwG Urteil vom 01. Oktober 1997 Az. 11 A 10/96). Der Entschädigungsanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 HVwVtti ist ein Surrogat für nicht realisierbare, weil untunliche oder mit dem Vorhaben unvereinbare technisch-reale Schutzmaßnahmen (vgl. BVerwGE 87, 332 <377>).
Im Sinne des Gesetzes "untunlich" sind Schutzmaßnahmen, wenn sie keine (wirksame) Abhilfe erwarten lassen, für den Träger des Vorhabens unzumutbar wären, insbesondere unverhältnismäßige, nicht mehr vertretbare Aufwendungen erforderten. Bei welcher Höhe dies anzunehmen ist, kann jedoch ebenso wie im Rahmen des § 41 Abs. 2 BImSchG grundsätzlich nicht losgelöst von dem angestrebten Schutzzweck beurteilt werden und bestimmt sich hier wie dort nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. zum aktiven Lärmschutz BVerwG, Beschluß vom 30. August 1989, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 5 S. 2; BVerwG Urteil vom 22. Mai 1987 Az. 4 C 33-35.83 in: BVerwGE 77, 285 <295> für den Fall eines Parksanatoriums an der B 31).
Die Rechtsprechung fordert, daß der Betroffene einer plangegebenen Vorbelastung sich "vor technisch unvermeidbarem Verkehrslärm auf eigene Kosten schützen muß und für eine etwa verbleibende Wertminderung seines Besitzes keinen Ausgleich erhält" (vgl. BVerwG Urteil vom 22. Mai 1987 Az. 4 C 33-35.83 in: BVerwGE 77, 285 <295>).
Die Hauptanwendungsfälle eines Anspruches auf einen Geldausgleich sind Beeinträchtigungen der Außenwohnbereiche (Terrasse, Loggia, Balkon, Freisitz) durch den Tagbetrieb des neuen Flughafenteiles. Als Bemessungsgrundlage wird in der Regel eine Verminderung des Verkehrswertes in Betracht kommen, wie sie durch die Beeinträchtigung oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze eintritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1988, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6 5. 10; Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O., 5. 388 ff.).
Die Planfeststellungsbehörde kann zur Bemessung des Geldausgleichs aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit einheitlich festlegen. Eine solche Regelung hat allerdings einen hinreichenden passiven Schallschutz bzw. eine angemessene Entschädigung auch im Einzelfall zu gewährleisten. Dies setzt neben einer Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten voraus, daß der gesteckte finanzielle Rahmen eher weit gefaßt sein muß. Hierbei könnten als Anhalt etwa die Baukosten herangezogen werden, die erforderlich wären, entsprechende Außenbauteile unter Berücksichtigung des zur Gewährleistung des Schutzzwecks erforderlichen Bauschalldämmaßes neu zu errichten (BVerwG Urteil vom 27. Oktober 1998, Az. 11 A 1/97).
Einen Anhalt können schließlich auch die Aufwendungen liefern, die normalerweise zur Erreichung des erforderlichen Bauschalldämmaßes an ortsüblichen Gebäuden erforderlich sind.
Rechtlich zu beanstanden wäre es, wenn die Planfeststellungsbehörde - ohne die ortsübliche Bebauung zu berücksichtigen - ihrer Regelung maßgeblich die Annahme zugrunde legte, daß eine etwa erforderliche zusätzliche Lärmdämmung im Regelfall nicht mehr als die einzusetzenden Schallschutzfenster ohne Belüftungssystem kostet (vgl. BVerwG Urteil vom 27. Oktober 1998,Az. 11 A 1/97).
Die Entschädigung für eine Lärmbeeinträchtigung des Außenwohnbereichs richtet sich dabei grundsätzlich nach der hierdurch bedingten Wertminderung des gesamten Anwesens, nicht nur der Wertminderung jener dem "Wohnen im Freien" zugeordneten Teilfläche (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 94 S. 111; Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O., S. 379).
(Bearbeitungsstand: 22. August 2002)
Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens PFV FRA-Ausbau Juristische Auseinandersetzung PFV-Einwendungen Öffentliche Auslegung der PFV-Unterlagen Genehmigungsverfahren Flughafen-Ausbau FRA Sachsen-Anhalt