Die gerichtliche Überprüfung von luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen
Ein Überblick über Gerichtsurteile und juristische Fachkommentare
Von: @Matthias M. Möller-Meinecke <2002-08-22>

MATTHIAS M. MÖLLER MEINECKE
RECHTSANWALT FACHANWALT FÜR VERWALTUNGSRECHT

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Die gerichtliche Überprüfung
von luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen

Rechtsgrundlage und Inhalte der Planfeststellung

Rechtsgrundlage für die geplante Erweiterung des bestehenden Ver­kehrsflughafens Frankfurt Rhein-Main einschließlich der planenrischen Entscheidung über Maßnah­men zum Schutz der Bevölkerung in diesem Zusammenhang ist ebenso wie bei einem Flughafenneubau § 8 Abs. 1 LuftVG. Diese Vorschrift enthält neben ihrer verwaltungsver­fahrensrechtlichen Bedeutung die materielle Ermächtigung der Planfeststellungsbehörde zur luftver­kehrsrechtlichen Fachplanung selbst. Zentrales Element dieser Ermächtigung ist die mit ihr ver­bundene Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit. Ihrem Gegens­tand nach erstreckt sich diese in um­fassender Weise auf alle planerischen Gesichtspunkte, die zur - möglichst optimalen - Verwirkli­chung der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe, aber auch zur Bewältigung der von dem Planvor­haben in seiner räumlichen Umge­bung aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind (vgl. BVerwG, Ur­teil vom 29. Januar 1991, BVerwGE 87, 332 <341>; Urteil vom 7. Juli 1978, BVerwGE 56, 110 <116>).

Zu den planerischen Gesichtspunk­ten zählen die "Schutzanlagen", also z.B. aktive und passive Fluglärm­schutzeinnichtungen, die für das öf­fentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung benachbarter Grund­stücke gegen Gefahren oder Nach­teile notwendig sind.

Weiterhin zählen zu den planeri­schen Gesichtspunkten die Prüfung der Umweltverträglichkeit der Planungsmaßnahme (§ 6 Abs. 1 LuftVG). Die Umweltverträglich­keitsprüfung ist ein unselbständiger Teil des luftverkehrsrechtlichen Ge­nehmigungsverfahren, die der Ent­scheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen. Die Umweltver­träglichkeitsprüfung umfaßt die Er­mittlung, Beschreibung und Bewer­tung der Auswirkungen eines Vor­habens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, einschließ­lich der jeweiligen Wechselwirkun­gen, Kultur- und sonstige Sachgü­ter.

Sie wird unter Einbeziehung der Öf­fentlichkeit durchgeführt. Bedarf die Entscheidung über die Flugha­fenerweiterung neben der luftver­kehrsrechtlichen Genehmigung und Planfeststellung weiterer Verfahren, werden die in diesen verschiedenen Verfahren durchgeführten Teilprü­fungen zu einer Gesamtbewertung aller Umweltauswirkungen, ein­schließlich der Wechselwirkungen, zusammengefasst.

Dem Wesen rechtsstaatlicher Pla­nung entsprechend ist die planeri­sche Gestaltungsfreiheit verschie­denen rechtlichen Bindungen un­terworfen, deren Einhaltung der Kontrolle der Verwaltungsgerichte unterliegt. Solche Bindungen folgen u.a. aus den Anforderungen des sich auf den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis erstreckenden Abwägungsgebots (ständige Recht­sprechung des BVerwG, vgl. zur luftverkehrsrechtlichen Fachpla­nung, BVerwG, Urteile vom 7. Juli 1978, a.a.O., 5. 122 f. sowie vom 29. Januar 1991, a.a.O., 5. 341).

Rechtfertigung der durch die luftverkehrsrechtliche Planung bewirkten Grundrechtseingriffe (Planrechtfertigung)

Nach der Rechtsprechung des Bun­desverwaltungsgerichts gehört zu den rechtlichen Bindungen einer Planung die Planrechtfertigung. Da­zu ist vom Bundesverwaltungsge­richt in der Frankfurter Flughafenentscheidung (BVerwGE 56, 110) ausgeführt worden: Eine hoheitliche Planung trägt ihre Rechtfertigung nicht schon in sich selbst, sondern ist im Hinblick auf die von ihr aus­gehenden Einwirkungen auf Rechte Dritter für die jeweils konkrete Pla­nungsmaßnahme rechtfertigungsbe­dürftig (BVerwGE 34, 301, 305; 48, 56, 60; 52, 237; 55, 220; 56, 110, 118; BVerwG NJW 1980, 953).

In diesem Sinne findet eine be­stimmte Planung ihre Rechtferti­gung darin, daß für das mit ihr be­absichtigte Vorhaben nach Maßgabe der von dem betreffenden Fachpla­nungsgesetz allgemein verfolgten Ziele ein Bedürfnis bestehe, die mit ihr geplante Maßnahme unter die­sem Blickwinkel also objektiv er­forderlich sei. Erforderlich sei die Fachplanung dabei nicht erst bei Unausweichlichkeit, sondern wenn sie vernünftigerweise geboten sei. Der Bedarf sei aufgrund einer prog­nostischen Einschätzung zukünfti­ger tatsächlicher Entwicklungen zu treffen. Die Prognose müsse mit den im Zeitpunkt der Entscheidung über die Planfeststellung zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln unter Berücksichtigung aller für sie er­heblichen Umstände einwandfrei gestellt worden sein. Es sei für die Prognose vorauszusetzen, aber auch ausreichend, daß sie in einer der jeweiligen Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (BVerwGE 56, 110 [122f]).

Die Neuanlage einer Start- und Landebahn eines Flughafens bedarf wegen des damit verbundenen Ein­griffs in Grundrechte von Anwoh­nern z.B. auf körperliche Unver­sehrtheit und Eigentum der Planrechtfertigung.

Planrechtfertigung.

Die Planrechtfertigung hat die Funktion, das Vorhaben zunächst allgemein den Planungszwecken des jeweiligen Fachgesetzes zuzuord­nen. Sie hat daneben aber auch die Aufgabe, als jeweilige Zielsetzung des Planens die planerische Abwä­gung nach Vorgang und Ergebnis zu steuern (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1991, 129, 130).

Die Einordnung des Stellenwertes der planerischen Zielsetzung in die­sem Zusammenhang, d.h. hinsicht­lich der Gewichtung und Abwägung im Verhältnis zu entgegenstehenden Belangen, unterfällt der gerichtli­chen Abwägungskontrolle, für die andere Maßstäbe als bei der Überprüfung von unbestimmten Rechtsbegriffen gelten. Dabei ist nämlich der jeglicher Planung eigene Gestal­tungsspielraum zu berücksichtigen (OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93 <Hahn>).

Nach der Rechtsprechung des Bun­desverwaftungsgerichts, insbeson­dere der des 7. Senats, könnte aber fraglich sein, ob ein solch selbstän­diger Prüfungsgesichtspunkt der Planrechtfentigung - der Abwägungskontrolle vorangestellt - über­haupt noch Bedeutung hat (vgl. BVerwGE, 85, 44, 51).

Denn das Gericht verweist überzeu­gend darauf, daß an diese erste Stu­fe der gerichtlichen Überprüfung von Fachplanungen so geringe An­forderungen an die Erforderlichkeit eines Projektes gestellt werden, daß daran kaum jemals ein Vorhaben der öffentlichen Infrastruktur schei­tern kann und daher der Aufwand im Mißverhältnis zum praktischen Prüfungsnutzen steht (vgl. Kühling, Fachplanungsrecht, Rz. 166).

Der Rechtsprechung des 4. Senats lassen sich indessen Zweifel in die­ser Richtung weniger deutlich ent­nehmen. Steinberg (DVBI 1992, 1501, 1503) differenziert dies da­nach, ob es um raumbedeutsame Anlagen wie in der Fernstraßenpla­nung bzw. Flughafenplanung geht oder nur um Anlagen, die eher mit der Anlagengenehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz zu vergleichen sind. Jedenfalls setzt die Planrechtfertigung ohnehin nicht voraus, daß das Vorhaben strikt ge­boten wäre (vgl. BVerwG, NJW 1975, 1373; BVerwGE 75, 214 = NVwZ 1987, 578; BVerwG, NVwZ 1990, 860).

In diesem Sinne ist eine Planung erst dann gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der von den Fachpla­nungsgesetzen allgemein verfolgten Zielen ein Bedürfnis besteht, das Vorhaben also unter diesem Blick­winkel objektiv erforderlich ist.

Eine Flughafenplanung ist nur ge­rechtfertigt, wenn für das beabsich­tigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger ge­setzlicher Entscheidungen ein Be­dürfnis besteht, die geplante Maß­nahme unter diesem Blickwinkel al­so objektiv erforderlich ist. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist (BVerwGE 56, 110 <118 f.>; 71, 166 <168>; 72, 282 <285>; 75, 214 <233>).

Insbesondere kann die Erweiterung und wesentliche Änderung eines Flughafens wegen eines geänderten Verkehrsbedürfnisses erforderlich sein (BVerwGE 56, 110 <120>; 75, 214 <233>).

Die Dringlichkeit der auf der Ebene der Planrechtfertigung zugrunde ge­legten Zielvorstellungen kann gleichzeitig auch das Gewicht der in die Abwägung einzustellenden öf­fentlichen Belange bestimmen (BVerwG Beschluß vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - Buch­holz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6).

Der Begriff "nach den Zielen des Lufverkehrsgesetzes vernünftiger­weise geboten" ist ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff, wel­cher in seiner korrekten Anwendung der vollen Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt. Bei der Prüfung, ob die Planung vernünftigerweise geboten ist, kann aber erleichternd auch auf Erwä­gungen zurückgegriffen werden, welche die objektiven Verhältnisse treffen, selbst wenn sie in der schriftlichen Dokumentation der Planungsentscheidung keinen Nie­derschlag finden (BVerwG, NVwZ 1990, 860).

Der unter dem Stichwort Planrecht­fertigung angesprochene Frage nach dem objektiven Verkehrsbe­darf für die Ausbauplanung kommt jedenfalls in dem nachfolgenden ge­richtlichen Prüfungsschnitt, ob eine fehlerfrei Abwägungsentscheidung gegeben ist, eine zentrale Rolle zu.

Die Ermittlung und Lösung der aufgeworfenen Konflikte (Abwä­gung)

Wie jede planerische Entscheidung im Fachplanungsrecht, so ist auch die Entscheidung über den Neubau einer Start- und/oder Landebahn ei­nes Flughafens in einem lufiver­kehrsrechtlichen Planfeststellungs­verfahren daran zu messen, ob sie dem Gebot gerechter Abwägung al­ler von der Planung betroffenen öf­fentlichen und privaten Belange ge­nügt. Dies ergibt sich aus dem Wesen jeder rechtsstaatlichen Planung (vgl. BVerwGE 56, 110).

Das Abwägungsgebot erstreckt sich auf den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bun­desverwaltungsgerichts verlangt das Abwägungsgebot, daß eine Abwä­gung überhaupt stattfindet, in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß und daß weder die Bedeutung der betroffe­nen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vor­genommen wird, die zur objektiven Gewichtung einzelner Belange au­ßer Verhältnis steht (vgl. BVerwGE 56, 110).

Wegen des naturgemäß jeglicher Planung zukommenden Gestal­tungsspielraums wird das Abwä­gungsgebot indessen nicht verletzt, wenn sich die planende Behörde in der Kollision zwischen verschiede­nen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendiger­weise für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Solche letztlich in der politischen Verantwortung zu treffenden Entscheidungen sind ei­ner weitergehenden Gerichtskon­trolle nicht zugänglich.

Im Luftverkehrsrecht setzt aller­dings § 9 Abs. 2 LuftVG der Pla­nungsentscheidung gesetzlich vorgezeichnete äußerste, mit einer "ge­rechten Abwägung" nicht mehr ü­berwindbare Grenzen. Danach sind dem Unternehmer die Errichtung und Erhaltung der Anlagen aufzuer­legen, die für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke ge­gen Gefahren oder Nachteile not­wendig sind. Ist die Planung für die Betroffenen mit entsprechenden un­zumutbaren Beeinträchtigungen und Nachteilen verbunden, so darf in der Planungsentscheidung der Konflikt nicht unbewältigt bleiben. Vielmehr fordert das Gesetz insoweit einen physisch-realen Ausgleich oder ent­sprechende Entschädigung (§ 74 Abs. 2 Satz 3 HVwVfG). Ausrei­chend sind solche Schutzauflagen - die grundsätzlich mit der Verpflich­tungsklage auf Planergänzung zu verfolgen sind - nur dann, wenn sich die planende Behörde aufgrund ei­ner fehlerfreien Abwägung nicht in der Lage sieht, die Problembewälti­gung durch planerische Gestaltung des Flughafens einschließlich seines Betriebs selbst zu leisten.

Dabei darf aber ein angerufenes Ge­richt bei der Kontrolle der Pla­nungsentscheidung nicht in den pla­nerischen Gestaltungsspielraum der Behörde (gleichsam mit eigenem Konzept) eingreifen; dies gilt auch für Betriebsauflagen im Sinne des §6 Abs. 1 Satz 2 LuftVG; Ermitt­lungs- und Abwägungsdefizite füh­ren - unter Berücksichtigung der Einschränkung aus §10 Abs. 8 LuftVG (vgl. zum "ergänzenden Verfahren": BVerwG, Urteil vom 21.03.1996, DVB1. 1996, 907) zu einer Aufhebung oder Teilaufhe­bung der Planungsentscheidung (vgl. zum Ganzen BVerwG, Mün­chen 2, Urteil vom 29. Januar 1991, NVwZ-RR 1991, 601 f.).

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LuftVG kann die luftverkehrsrechtliche Ge­nehmigung mit Auflagen verbunden werden. Anders als Schutzauflagen im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG werden diese aber nicht in der Wei­se begrenzt, daß es sich dabei nicht um Betriebsregelungen handeln dürfte. Gerade diese sind regelmä­ßig Gegenstand der insoweit in das Planfeststellungsverfahren zu übernehmenden Auflagen im Genehmigungsverfahren. Doch wird auch hier die Grenze zwischen mit der Verpflichtungsklage zu verfolgenden ergänzenden Auflagen und sol­chen, die das Geflecht der Abwä­gung wesentlich berühren, dort verlaufen, wo mit einer nachträglichen Auflage wesentlich in die von der Genehmigungsbehörde verfolgte Konzeption eingegriffen würde (vgl. zur Unterscheidung von Be­triebsregelungen und Schutzaufla­gen BVerwG, a.a.O., 5. 604).

Das Planungsvorhaben "Erweite­rung des Flughafens Frankfurt" vermag sich nur dann gegenüber u.a. den Rechten der Anwohner auf Schutz ihrer Gesundheit gegenüber Fluglärm und den Rechten der Städ­te und Gemeinden im Umfeld des Flughafens auf eine angemessene Eigenentwicklung durchsetzen, wenn der Bedarf für einen Ausbau des Frankfurter Flughafens frei von Ermessensfehlern nachgewiesen ist. Für den Bedarfsnachweis ist eine Prognose des zukünftigen Luftver­kehrsbedarfs erforderlich.

Dabei ist es Aufgabe der Planfest­stellungsbehörde, den vom Träger des Vorhabens eines Flughafenneu­bzw. -ausbaues behaupteten erfor­derlichen Ausbaubedarf prognos­tisch zu bestimmen. Sie muß in die­se Prognose nicht nur die reinen Zahlen zukünftig erwarteter Flug­gäste für den in Betracht kommen­den Linien- und Charterflugverkehr einschließlich eines eventuellen Frachtverkehrsaufkommens einbe­ziehen, sondern auch den Bedarf an dazugehörenden Gebäuden und Ne­benanlagen, mit denen der erhöhte Flugverkehr reibungslos sicherheits­technisch abgewickelt werden kann. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat insoweit nur zu prüfen, ob die Prog­nose mit den zu jener Zeit der Plan­feststellungsbehörde verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist (BVerwGE 72, 282 <286>; 75, 214 <234>; 87, 332 <355>).

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ü­berprüft insoweit die Wahl einer ge­eigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der Prognose zugrundeliegenden Sach­verhalts und ob das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Ferner ist zu fragen, ob die mit jeder Prognose verbundene Ungewißheit künftiger Entwicklungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Eingriffen steht, die mit ihr gerechtfertigt werden sollen.

Es ist hingegen nicht Aufgabe der Gerichte, das Ergebnis einer auf diese Weise sachgerecht erarbeite­ten Prognose darauf zu überprüfen, ob die prognostizierte Entwicklung mit Sicherheit bzw. größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit ein­treten wird oder kann, ferner nicht darauf, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist (BVerwGE 56, 110 <121, 122>).

Eine Überschreitung des planerischen Gestaltungsspielraums liegt insbesondere nicht allein darin, daß die Planfeststellungsbehörde die Entwicklung des Luftverkehrsauf­kommens optimistischer beurteilt als betroffene Anlieger des Flugha­fens (BVerwGE 75, 214 <234>; Beschluß vom 5. Oktober 1990, a.a.O.).

Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Bedarfsprognose über den zu­künftigen Flugverkehr zu erstellen. An einer solchen tragfähigen Be­darfsprognose nach den Vorgaben der Rechtsprechung fehlt es bislang. Die Vorgabe der FRAPORT AG zugunsten einer Kapazitätszahl von 120 Flugbewegungen pro Stunde ersetzt keine Bedarfsprognose.

Eine Bedarfsprognose muß der Ma­terie "Luftverkehr" angemessen und in methodisch einwandfreier Weise erstellt sein. Dazu sind die zur Ver­fügung stehenden Erkenntnismittel unter Berücksichtigung aller für sie erheblichen Umstände" in einer der Materie "Luftverkehr" "angemesse­nen und methodisch einwandfreien Weise" (BVerwGE 56, 110, 121 mw. Nachweisen) in eine Prüfung einzustellen und zu bewerten, ob der zukünftige Bedarf nicht auch ohne einen Ausbau durch Ausnut­zung aller tatsächlichen und techni­schen Möglichkeiten zu verneinen ist und ob bejahendenfalls sich diese tatsächlichen und technischen Mög­lichkeiten auch rechtlich umsetzen lassen. Bei diesen "tatsächlichen und technischen Möglichkeiten" handelt es sich um folgendes:

Abwägungsprüfung: Verkehrsvermeidung

Hier geht es um das Vermeiden o­der Reduzieren von Fracht- und Personenluftverkehr durch das Un­terlassen des (Fern-)Transportes nicht lebenswichtiger Güter und Er­zeugnisse, die Entwicklung und Einführung umweltfreundlicher Verfahren zur Vermeidung oder Reduzierung von Luftverkehr sowie das Herstellen, Be- und Verarbeiten von Gütern und Erzeugnissen mit kurzen Transportwegen.

Es wird insoweit als Beispiele ver­wiesen auf die Möglichkeiten der elektronischen Post als Alternative zum Nachtluftpoststern, von Videokonferenzen zur Vermeidung von Geschäftsreisen, des Kaufes regio­naler (Saison-)Produkte anstelle des Imports exotischer Produkte und des Verzichts auf (regelmäßige) Fernreisen.

Abwägungsprüfung: Ersatz von Kurzstreckenflügen durch Transporte mit der Bahn

Zu bewerten ist die mögliche Verla­gerung von bisherigen Flugverkehr auf den Verkehrsträger Schiene im Kurz- und Mittelstreckenbereich un­ter Berücksichtigung der im europä­ischen Schnellbahnsystem vorgesehenen Verbindungen. Eine Bedarfsprognose hat auch die Entwicklun­gen zu berücksichtigen, die voraus­sichtlich zu einer Verringerung des Luftverkehrsaufkommens führen. Es handelt sich dabei u.a. um die Entwicklung folgender Faktoren:

Im Jahr 1997 wurde noch ein Anteil von 40 % (23 %) der Flugbewegun­gen auf dem Flughafen Frankfurt durch Kurzstreckenflüge unter 600 km (400 km) Flugstrecke verur­sacht.

Die Zielorte von 22 % der derzeiti­gen Flugbewegungen auf dem Frankfurter Flughafen, darunter auch Leipzig/Halle, Berlin, Brüssel, Amsterdam und Zürich, sind mit ei­ner vierstündigen Bahnreise zu er­reichen.

Schon bei diesem derzeitigen nahm der innerdeutsche Punkt-Punkt­-Linienflugverkehr (ohne Umsteigen) auf Strecken parallel zur Bahn mit einer Bahnreisezeit unter 3 Stunden von 1991 bis 1998 um 42% ab (vgl. H.G. Ungefug, 2. Luftverkehrsana­lyse, Berlin, 1998, S. 45). Zugleich wuchs der Bahnverkehr auf diesen Strecken um rund 50 %.

Nach der vollständigen Inbetrieb­nahme des Fernbahnhofs am Flug­hafen Frankfurt ergeben sich (vgl. H.G. Ungefug, 2. Luftverkehrsana­lyse, Berlin, 1998, S. 34) erhebliche Verkürzungen der Bahnreisezeiten von Frankfurt nach:

Zielort  Zeit
Stuttgart  1:02
Basel  2:13
Hannover Messe  2:15
Brüssel  2:50
München  2:58
Köln  0:58
Amsterdam  3:33
London (via Eurostar)  5:30

Die europäischen Flughäfen Lon­don, Paris, Amsterdam, Berlin, Stendal (Berlin International) und Warschau werden nach der Transeuropäischen Netzplanung wie der Frankfurter Flughafen einen Bahn­hofsanschluß an das europäische Schnellbahnnetz erhalten.

Die Deutsche Bahn AG wird ihre ICE Züge ab dem Bahnknoten Frankfurt zukünftig in jede Rich­tung im Halbstundentakt verkehren lassen.

Da Frankfurt damit über die zukünf­tig beste Bahnanbindung aller Flug­häfen in Europa verfügt, besteht die Möglichkeit, daß relevante Teile der Kurzstreckenflüge auf die Eisen­bahnen verlagert werden und damit ohne einen Ausbau ein Drittel der Flughafenkapazität (slots) für die Absicherung und den Ausbau der Hub-Funktionen frei gemacht wer­den können (vgl. "FRA 2000 PLUS" Flughafen Frankfurt Main AG, März 1999, Seite 99).

Der Rückgang innerdeutscher Flüge wird sich auch aus betriebs­wirtschaftlichen Gründen beschleu­nigen; denn auf den zehr größten deutschen Flughäfen wind der in­nerdeutsche Linienfiugverkehr zwi­schen 1997 und 2002 erheblich (um rund 2/3) zurückgehen und damit ist zukünftig die Rentabilität der inner­deutschen Zubringerflüge gefährdet. (vgl. H.G. Ungefug, 2. Luftver­kehrsanalyse, Berlin, 1998, S. 91)

Ein Vorteil der Bahn als Alternative zum Flugzeug liegt darin, daß die Passagiere mit Erreichen des Ziel­bahnhofes in das Herz der Städte und an die Knotenpunkte des Nah- und Regionalbahnverkehrs gebracht werden und damit interessante Vor­teile im Vergleich der Gesamtreise­zeit Bahn/Flug von Haus zu Haus entstehen.

Ein weiterer Vorteil der Bahn liegt im höheren Komfort für die Passa­giere, die z.B. während einer länge­ren Reisephase konzentriert mit transportablem Computer und Tele­phon arbeiten können.

Bahn-Zubringerreisen zum Großflughafen erfahren zukünftig da­durch einen Komfortvorteil, weil das Gepäck am Ausgangsbahnhof zum Zielflughafen eingecheckt und durchgehend befördert werden kann.

Die zu prognostizierende weitge­hende Verlagerung von Kurzstre­ckenflügen bis 600 km Distanz auf das Schnellbahnnetz der Bahnen bewirkt eine erhebliche Entlastung des Frankfurter Flughafens und er­fordert eine Bewertung, ob für die verbleibenden Mittel- und Langstre­ckenflüge die Kapazität der drei be­stehenden Bahnen des Flughafens nicht ausreicht.

Abwägungsprüfung: Verlagerung von Flügen auf benachbarte Flughäfen

Zur prüfen ist die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit bestehenden Flughäfen, z.B. der westdeutschen Flughafenallianz, und ihre Folgen für den Flughafen Frankfurt. Mit der attraktiven Anbindung des Frankfurter Flughafens über das Schnellbahnnetz der Bahnen an an­dere nicht ausgelasteten Flughäfen wie etwas Köln-Bonn, Düsseldorf und Stuttgart sowie zukünftig Hahn erweitern sich die Möglichkeiten, geeignete Luftverkehrsanteile aus­zulagern und dadurch in Frankfurt Flughafenkapazitäten für die Absi­cherung und den Ausbau der Hub-Funktionen freizumachen.

Die Verlagerung von Flügen auf den zukünftig in 58 Zugfahrtminu­ten erreichbaren und in seiner Ka­pazität nicht ausgelasteten Flugha­fen Köln-Bonn bewirkt zusammen mit den anderen bedarfsbeeinflus­senden Faktoren, daß der Bedarf und damit die Planrechtfertigung für den Ausbau des Frankfurter Flugha­fens in Frage steht. Den Anwohnern des Frankfurter Flughafens ist ins­besondere eine Beeinträchtigung durch zusätzlichen Fluglärm zur Nachtzeit nicht zumutbar, solange der Luftverkehrsbedarf auf einem nahe gelegenen anderen Flughafen außerhalb der Nachtzeit befriedigt werden kann.

Abwägungsprüfung: Bedarfsver­änderung durch Erhöhung der Flughafengebühren

Die Bundesregierung strebt eine Er­höhung der Flughafengebühren an. Die spürbare Erhöhung der Gebüh­ren für verkehrspolitisch uner­wünschte innerdeutsche Flüge und für Flüge in das nahe europäische Ausland würde das erklärte Unter­nehmensziel der FRAPORT AG, möglichst viel Passagiervolumen auf Anschlußflügen von und nach anderen deutschen Flughäfen auf die Schiene zu verlagern, um slots für Fernflüge freizumachen, kurz­fristig realisierbar machen.

Abwägungsprüfung: Standorteignung

Das Planungsvorhaben "Erweite­rung des Flughafens Frankfurt" vermag sich nur dann gegenüber u.a. den Rechten der Anwohner auf Schutz ihrer Gesundheit gegenüber Fluglärm und den Rechten der be­troffenen Städte und Gemeinden im Umfeld des Flughafens auf eine angemessene Eigenentwicklung durchzusetzen, wenn auch die Aus­wahl des geplanten Standortes für eine weitere Start- und Landebahn frei von Ermessensfehlern erfolgt.

Als Vollzug des Luftverkehrsgeset­zes des Bundes steht die Standortplanung für einen Flughafen für die Planfeststellungsbehörde unter der Bindung an "Recht und Gesetz" (Art. 20 Abs. 3 GO).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Ausbau des Frankfurter Flughafens Grund­sätze für die Planfeststellung und für die Standortwahl entwickelt, die es später auch auf Planungen nach anderen Fachplanungsgesetzen wie das Fernstraßenrecht und das Was­serrecht übertragen hat. Wesentlich für die benannte Rechtsprechung ist die Abgrenzung zwischen der pla­nerischen Gestaltungsfreiheit auf der einen Seite und den rechtlichen Bindungen, denen die planende Be­hörde unterworfen ist, auf der ande­ren Seite. Die planerische Gestal­tungsfreiheit und die mit ihr ver­bundene Einräumung eines Planungsermessens ergebe sich - auch ohne gesetzliche Erwähnung - aus der Übertragung der Planungsbe­fugnis auf die Planfeststellungsbe­hörde in Verbindung mit der Er­kenntnis, daß die Befugnis zur Pla­nung einen mehr oder weniger aus­gedehnten Spielraum an Gestal­tungsfreiheit einschließt und ein­schließen muß, weil Planung oder Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich wäre. Die rechtlichen Bin­dungen, denen die Planfeststel­lungsbehörde unterworfen ist, erge­ben sich aus dem Inhalt und den Begrifflichkeiten, die das BVerwG in diesem Zusammenhang geprägt hat: Die Planungsrechtfertigung, die Planungsleitsätze und die An­forderungen des Abwägungsgebots (BVerwGE 48, 56 ; 55, 237 ).

Mit der Planungsrechtfertigung ist die Bedarfsfrage angesprochen; auf die oben bereits eingegangen wurde. Unter den Planungsleitsätzen hatte das BVerwG ursprünglich solche leitsatzartigen Planungsregelungen verstanden, wie sie in § 1 Abs. 4 und Abs. 5 BBauG in der 1969 gel­tenden Fassung niedergelegt waren und die mit der heutigen Regelung des § 1 Abs. 5 und § la BauGB nur noch entfernte Ähnlichkeit aufwei­sen (BVerwGE 34, 301 aus dem Jahre 1969 und auf die in BVerwGE 48, 56 erkenn­bar Bezug genommen wird).

Als "Planungsleitsätze" müssen heute nicht mehr und nicht weniger all diejenigen Regelungen mit Be­zug auf das Planungsrecht verstan­den werden, die der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planungsbe­hörden in der einen oder anderen Weise rechtliche Bindungen aufer­legen. Hingegen muß - wie Gaentzsch, Richter am Bundesver­waltungsgericht, zutreffend festge­stellt hat (Gaentzsch, Die natur­schutzrechtliche Eingriffsregelung - Das Verhältnis zwischen Fachrecht und Naturschutzrecht, NuR 1986, 89 ) - der Streit dar­über, ob eine gesetzliche Regelung, die einen Bezug zum Planungsrecht hat, ein Planungsleitsatz im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG oder "nur" ein Abwägungse!ement sei als unfruchtbar bezeichnet wer­den. Gaentzsch weist zu Recht auf folgendes hin: Die Verbindlichkeit einer gesetzlichen Regelung hänge nicht davon ab, ob sie unter einen bestimmten Begriff, wie den des Planungsleitsatzes passe, der vom Bundesverwaltungsgericht unter dem methodischen Gesichtspunkt der Vorgehensweise bei der gericht­lichen Überprüfung von Planfest­stellungsbeschlüssen entwickelt worden sei. Der Begriff habe, so wie ihn das BVerwG im Fachpla­nungsrecht früher verwendet habe, Verwirrung deshalb gestiftet, weil versucht worden sei, ihm bestimmte Rechtsvorschniften unterzuordnen, statt zu fragen, welchen Inhalt die jeweilige Vorschrift selbst habe und welchen Geltungsanspruch sie erhe­be. Das sei inzwischen erkannt. In zwei Entscheidungen vom 22.3.1985 habe deshalb das Bun­desverwaltungsgericht den Begriff "Planungsleitsatz" gleichsam zu­rechtgerückt (BVerwGE 71, 150; BVerwG NuR 1985, 320).

In der von Gaentzsch zweitzitierten Entscheidung heißt es, die fernstra­ßenrechtliche Planfeststellung habe keine "Konzentrationswirkung" der Art, daß gesetzliche Bestimmungen, die strikte Gebote oder Verbote ausdrückten, nur als Abwägungsma­terial zu beachten und demzufolge auch überwindbar seien. Gesetzli­che Bestimmungen seien entspre­chend ihrem eigenen Geltungsan­spruch anzuwenden. Von strikten Geboten und Verboten, die auch durch Abwägung nicht überwindbar seien, seien solche Regelungen zu unterscheiden, die ihrem Inhalt nach nicht mehr enthielten als eine Zielvorgabe für den Planer und erken­nen ließen, daß diese Zielsetzungen bei öffentlichen Planungen im Kon­flikt mit anderen Zielen zumindest teilweise zurücktreten könnten. Ty­pisch seien hierfür Regelungen, mit einem Optimierungsgebot, das eine möglichst weitgehende Beobach­tung bestimmter Belange fordere. Als Beispiel sind die "Ziele des Na­turschutzes und der Landschafts­pflege" (§ 1 BNatSchG) zu nennen, die einem ausdrücklich im Gesetz genannten Abwägungsvorbehalt ge­genüber den sonstigen Anforderun­gen an Natur und Landschaft unter­liegen. Die Bedeutung solcher Vor­schriften besteht darin, den in ihnen enthaltenen Zielvorgaben ein be­sonderes Gewicht zuzumessen und insoweit die planerische Gestal­tungsfreiheit einzuschränken (BVerwG NuR a.a.O.).

Der planerischen Gestaltungsfreiheit wird nicht nur durch die Planrecht­fertigung und die Planungsleitsätze, sondern auch aus den Anforderun­gen des Abwägungsgebotes eine Bindung auferlegt. Nach der Rechtsprechung des BVerwG verlangt das Abwägungsgebot, daß - erstens - eine Abwägung überhaupt statt­findet, daß - zweitens - in die Ab­wägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, und daß - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und priva­ten Belange verkannt noch der Aus­gleich zwischen ihnen in einer Wei­se vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. In­nerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen ent­scheidet. Die darin liegende Ge­wichtung der von der Planung be­rührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr im Gegenteil ein wesentliches Element der plane­rischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtli­chen Kontrolle entzogen. Diese Ge­richtskontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebotes daher auf die Frage, ob die Planfest­stellungsbehörde die abwägungser­heblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufge­zeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat (BVerwGE 48, 56 ­weis auf BVerwGE 34, 301 ; 45, 309 ; BVerwG BauR 1975, 35 [36]).

Zur Standortauswahl fordert das Bundesverwaltungsgenicht in stän­diger Rechtsprechung, daß sich die Anforderungen des Abwägungsge­botes auch und gerade an das Be­rücksichtigen von planerischen Al­ternativen richten. Danach müssen ernsthaft sich anbietende Alternativ­lösungen überhaupt in die Abwä­gung einbezogen werden. Diese Al­ternativen müssen ferner mit der ih­nen objektiv zukommenden Bedeu­tung in die vergleichende Prüfung der von ihnen jeweils berührten öf­fentlichen und privaten Belangen Eingang finden. Schließlich darf - auf der Ebene des Abwägungser­gebnisses - die Bevorzugung einer bestimmten Lösung nicht auf einer Bewertung beruhen, die zur objekti­ven Gewichtigkeit der von den möglichen Alternativen betroffenen Belange außer Verhältnis steht.

Ein betroffenen Grundstückseigen­tümer oder sonstiger Dritter kann das Nichtberücksichtigen von Al­ternativen, die z.B. seine geschütz­ten Belange weniger oder gar nicht nachteilig berühren, rügen, wenn dies abwägungsfehlerhaft gesche­hen ist.

In weiteren Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgenicht zur Tras­sen- bzw. Standortwahl in Planun­gen nach dem Fernstraßengesetz und dem Luftverkehrsgesetz Stel­lung genommen. In der einen Entscheidung hatte das Gericht einen Verstoß gegen das Abwägungsgebot darin gesehen, daß "die Planfeststel­lungsbehörde ernsthaft in Betracht kommende Planungsvarianten nicht beachtet". Dies setzt jedoch voraus, daß "eine bestimmte Alternativlö­sung sich nach Lage der Dinge an­bietet oder aufdrängt"; dies sei nicht schon dann anzunehmen, wenn die gefundene Lösung "nicht als zwin­gend angesehen werden kann" (BVerwGE 69, 256 [273]).

In der zweiten Entscheidung hatte das BVerwG zur Trassenwahl einer Bundesfernstraße ausgeführt: "Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot kann auch darin liegen, daß die Pla­nungsbehörde eine von der Sache her naheliegende Alternativlösung verworfen hat, durch die die mit der Planung angestrebten Ziele unter geringeren Opfern an entgegenste­henden öffentlichen und privaten Belangen hätten verwirklicht wer­den können." (BVerwGE 71, 166 [171f])

In der dritten Entscheidung hatte das BVerwG zur Standortwahl eines Flughafens folgendes ausgeführt:

"Die Wahl eines objektiv ungeeig­neten Standortes hält sich nicht mehr im Rahmen der planerischen Gestaltungsfreiheit. Wann ein Standort in diesem Sinne ungeeignet ist, läßt sich allerdings nicht ohne Berücksichtigung der mit dem Vor­haben verfolgten Ziele und der be­stehenden raumordnerischen, lan­desplanerischen und fachspezifi­schen Voraussetzungen beurteilen. Die Geeignetheit eines Standortes ist insoweit regelmäßig von einer Abwägung unterschiedlicher, teil­weise gegenläufiger Belange öffent­licher und privater Art abhängig. Diese Abwägung ist nicht Sache des Gerichts. Die Rechtsprechung ist vielmehr auf die Prüfung be­schränkt, ob die vorgenommene Abwägung nach Vorgang und Er­gebnis keine rechtserheblichen Mängel aufreist. Die hierzu erhobenen Angriffe der Kläger bleiben erfolglos. ... (wird ausgeführt). Die Rechtsprechung hat bislang kaum Veranlassung gehabt, rechtliche Maßstäbe für die Überprüfung der Auswahl eines Standortes unter mehreren geeigneten Standorten zu entwickeln. Der erkennende Senat hat hierzu nur ausgeführt, daß es um die Frage gehe, ob sich an ei­nem anderen Standort eine bessere Lösung - auch für die betroffene Umgebung - finden lasse (vgl...). Auch der vorliegende Fall verlangt nicht, in eine nähere Erörterung der rechtlichen Maßstäbe einzutreten. Allerdings ist es verfehlt oder zu­mindest mißverständlich, wenn das Berufungsgericht meint, die Plan­feststellungsbehörde habe den bean­tragten Standort im Hinblick auf ei­nen Alternativstandort nur dann zu verwerfen, wenn sich ihr dieser als "eindeutig besser geeignet" auf­drängen müsse. Für die von der Planfeststellungsbehörde vorzu­nehmende Abwägung der einzustel­lenden Belange kommt es stets dar­auf an, rechtsmindernde Eingriffe nach Möglichkeit zu vermeiden. Dabei kann es zu rechtlich erhebli­chen Fehigewichtungen bereits dann kommen, wenn die Behörde die Bedeutung der (objektiv) betrof­fenen öffentlichen und privaten Be­lange in einer Weise vorgenommen hat, die zur objektiven Gewichtig­keit einzelner Belange außer Ver­hältnis steht (vgl. BVerwGE 56, 110 [123]). Wenn die Planfeststellungs­behörde infolge einer derartigen Fehlgewichtung die Vorzugswür­digkeit eines anderen Standortes verkennt, handelt sie rechtswidrig. In der Rechtsprechung des erken­nenden Senates wird hierzu nicht vorausgesetzt, daß sich der Behörde ein anderer Standort als " offen­sichtlich" besser geeignet aufdrän­gen mußte." (BVerwGE 75, 214 [236])

Zu Recht haben in dieser Entschei­dung Gassner und Schmidt ein Ab­rücken des Bundesverwaltungsge­nichts von seiner Entscheidung vom 20.7.79 gesehen. Denn nunmehr be­tont das Gericht, daß die Auffas­sung, der beantragte Standort müsse im Hinblick auf einen Alternativ­standort nur dann verworfen wer­den, wenn sich letzterer als "eindeu­tig besser geeignet" aufdränge, ver­fehlt oder zumindest mißverständ­lich sei.

Abwägungsprüfung: Gesundheit und des körperlichen Wohlbefin­dens

Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) schützt den Staatsbürger nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Vielmehr folgt darüber hinaus aus den objektiv-rechtlichen Gehalt dieses Grundrechts die Pflicht der staatlichen Or­gane, sich schützend und fördernd vor die in Art. 2 Abs. 2 GG genann­ten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren. Diese zunächst im Urteil zur Fristenlösung (BVerfGE 39, 1 (41)) entwickelte und im Schleyer-­Urteil (BVerfUE 46, 160 (164)) be­stätigte Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht in zwei frühen Atomrechts- Entscheidungen inzwischen auch auf den Umwelt­schutz angewandt (BVerfGE 49, 89 (141) - Kalkar; BVerfUE 53, 30 (57) - Mülheim-Kärlich).

Die aus Art. 2 Abs. 2 GG folgende Schutzpflicht beschränkt sich nicht auf einen Schutz der körperlichen Unversehrtheit in biologisch-physiologischer Hinsicht, sondern erstreckt sich auch auf den geistig-seelischen Bereich, also das psychi­sche Wohlbefinden (Kloepfer, Zum Grundrecht auf Umweltschutz, 1978, 5. 28) und umfaßt auch das soziale Wohlbefinden.

Der Begriff der körperlichen Unver­sehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG ist mit dem Begriff der Gesundheit gleich­zusetzen, wie ihn die Weltgesund­heitsorganisation in ihrer Satzung vom 22. Juli 1946 definiert hat. Fluglärmfolgen sind daher nicht nur wegen somatischer, sondern bereits wegen solcher psychischer und das soziale Wohlbefinden beeinträchti­gender Auswirkungen zu bekämp­fen, die über die Grenzen des sozial Adäquaten hinausgehen. Denn in der genannten Satzung wird als Ge­sundheit " der Zustand des vollstän­digen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen" bezeichnet. Als ge­sundheitliche Beeinträchtigung in diesem Sinne ist Fluglärm schon deswegen geeignet, weil er die Kommunikation im weitesten Sinne stört, den Erholungswert der Woh­nung und ihres Umfeldes herabsetzt, Konzentration und Aufmerksamkeit mindert, Nervosität und Irritiert­heitsgefühle verursacht sowie Er­schrecken, Verärgerung und Furchtassoziationen auslöst (vgl. etwa Rohrmann und Oeser, in: Umweltrecht im Wandel, Materialdienst Nr. 18/79 der Evangelischen Akademie Bad Boll, S. 92 ff.).

Gegen die Zugrundelegung des wei­ten Gesundheitsbegriffs der Weltge­sundheitsorganisation läßt sich nicht überzeugend einwenden, es sei - wenn das dem Willen des Verfas­sungsgesetzgebers entsprochen hät­te - schwer erklärlich, daß der Par­lamentarische Rat diesen seit 1946 bekannten Begriff nicht übernom­men, sondern statt dessen nur die "körperlich Unversehrtheit" grund­rechtlich geschützt hat. Denn eine Beschränkung des Schutzes allein auf solche Einwirkungen, die Ver­letzungen des Körpers darstellen, wird der Bedeutung dieses Grundrechts jedenfalls dann nicht gerecht werden, wenn es im Lichte des Art. 1 GG und der darin verbürgten Un­antastbarkeit der Menschenwürde ausgelegt wird (BVerfG Beschluß vom 14. Januar 1981 Az. 1 BvR 612/72).

Auch ist eine solche Beschränkung nicht mit dem Verständnis des Men­schen als einer Einheit von Leib, Seele und Geist und mit der Wech­selwirkung zwischen psychischen und physischen Gesundheitsstörun­gen vereinbar.

Verfassungsrechtlich wird nur eine weite Auslegung der Funktion des Grundrechts als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe etwa durch psy­chische Folterungen, seelische Quä­lereien und entsprechende Verhörmethoden gerecht. Da die Einfü­gung gerade dieses Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit auf Er­fahrungen der Nazi-Herrschaft be­ruhte, darf dieser Gesichtspunkt nicht vernachlässigt werden. Das Grundrecht erfaßt daher solche zu­mindestens nichtkörpenlichen Ein­wirkungen, die ihrer Wirkung nach körperlichen Eingriffen gleichzuset­zen sind. Das sind jedenfalls solche, die das Befinden einer Person in einer Weise verändern, die der Zufü­gung von Schmerzen entspricht.

Diese Auslegung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfas­sungsgenichts. So wurde die Frage, ob hirnelektrische Untersuchungen in die körperliche Unversehrtheit eingreifen können, nicht etwa von vornherein verneint, sondern wegen der Harmlosigkeit solcher Untersu­chungen offengelassen (BVerfGE 17, 108, 114 f.).

In der Entscheidung zum Räu­mungsschutz ist die psychische Er­krankung des Beschwerdeführers und die Gefahr von Selbstmorden als relevant im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG angesehen worden (BVerftiE 52, 214, 220 f.).

Die weite Auslegung des Grundrechts entspricht auch den Lärm­schutzvorschriften. Schon die Tech­nische Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 16. Juli 1968 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 vom 26. Juli 1968) und vor allem das Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 bezeichnen Ge­räusche, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, "Gefahren, er­hebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft" herbeizu­führen, als schädliche Umweltein­wirkungen. Die gleichen Kriterien verwenden die durch das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm geän­derten und neu eingeführten Vor­schriften der §§ 29, 29a LuftVG. Auch das geplante Verkehrslärm­schutzgesetz erstrebte einen Schutz gegen "erheblich belästigende und billigerweise unzumutbare Lärmeinwirkungen" (BTDrucks). 8/3730, S.4).

Die staatliche Schutzpflicht begrün­det sich schließlich daraus, daß der durch den Betrieb von Verkehrs­flughäfen entstehende Fluglärrn so­matische Folgen in Gestalt von Schlafstörungen hat und damit auf die körperliche Unversehrtheit ein­wirkt.

Allerdings ist die Forschung bislang noch nicht zu abschließenden Er­gebnissen gelangt: Schon in dem 1974 erschienenen Forschungsbe­richt der Deutschen Forschungsge­meinschaft über Fluglärmwirkungen wird zusammenfassend festgestellt (Bd. 1 Hauptbericht, S. 422), nach den durchgeführten medizinischen Untersuchungen werde eine vor­wiegend gesunde Bevölkerung durch den heute üblichen Fluglärm im Durchschnitt nicht in einer Wei­se beeinflußt, daß klinisch relevante Störungen auftreten würden. Gleichwohl lasse sich eine Gefährdung aus den anamnestisch angege­benen Schlafstörungen und aus dem Blutdruckverhalten im Hinblick auf einen Risikofaktor für die Entste­hung einer essentiellen Hypertonie vermuten, wenn auch zum gegen­wärtigen Zeitpunkt noch nicht be­weisen. Hinweise auf andere ge­sundheitliche Gefährdungen durch Fluglärm hätten sich nach den Un­tersuchungsergebnissen nicht ge­funden (vgl. auch die 1978 veröf­fentlichte Studie von Rohrmann u.a. über Fluglärm und seine Wirkung auf den Menschen, S. 218 f., sowie die Zusammenstellung des Arbeits­kreises 14 - Fluglärm - der Projektgruppe Lärmbekämpfung beim Bundesminister des Innern, 1978, Anhang G, S. 5 f.).

Mit dem DFG-Forschungsbericht befaßt sich Prof. Jansen in seinem Medizinischen Gutachten über die Auswirkungen von Fluglärm, das er 1977 im Verfahren zur Genehmi­gung der geplanten Erweiterung des Düsseldorfer Flughafens erstattet hat. Nach seiner Auffassung lassen sich somatische Auswirkungen durch Fluglärm nicht ausschließen; allerdings sei zu prüfen, bei wel­chem Grenzwert eine medizinisch unzumutbare Belastung beginne. Als Auswirkungen des Fluglärms nennt der Gutachter im Anschluß an den DFG-Forschungsbericht (S. 21 des Gutachtens) die Beeinträchti­gung von Kommunikation sowie die Störung von Ruhe und Entspannung (Regeneration). Es zeige sich eine beachtliche sozial-psychologische Verärgerungsreaktion, die als die wichtigste Störgröße neben den an­deren Ergebnissen überhaupt ermit­telt werden könne. Neben dieser im Bereich der Soziologie und Psycho­logie liegenden Störung trete beim Einsetzen der Fluglärmgeräusche immer wieder eine psycho­physiologische Defensivreaktion auf. Somatische Auswirkungen u. a. auf den Kreislauf seien nicht auszu­schließen, so daß gefolgert werden könne, daß Lärm zu den Risikofak­toren gezählt werden müsse. Die Ergebnisse der psycho­physiologischen Experimente könn­ten die Hypothese einer adaptiven Bewältigung des Fluglärms bei Anwohnern von Flughäfen nicht mehr stützen.

Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse bewirkt Fluglärm eine nicht unerhebliche Gefährdung der durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten körperlichen Unversehrtheit. Dies wurde schon im Hearing des Bundestags-Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewe­sen vom 8. November 1978 zum Entwurf des gescheiterten Verkehrs­lärmschutzgesetzes bestätigt (vgl. StenProt. der 39. Sitzung, S. 45 ff.). Die Mehrheit der Experten sowie der sachverständigen Behörden und Verbände vertraten dort die Auffas­sung, daß erheblich belästigender Verkehrslärm ein Gesundheitsrisiko darstelle, daß hingegen wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse darüber, ob und ab welchen Pegelwerten bei Verkehrslärm Gesund­heitsschäden physiologischer Art auftreten könnten, zur Zeit nicht be­kannt seien (dazu ausführlich die Ausschußdrucksache 0162 vom 18. September 1978, S. 63 if.).

Diese Erkenntnislücke wird zuneh­mend geschlossen. In einer Litera­turstudie des Umweltbundesamtes ("Fluglärmwirkungen", 2000) emp­fiehlt die Behörde dem Verkehr­sausschuß des Deutschen Bundesta­ges für eine gesetzliche Neurege­lung folgende beachtlichen Belas­tungsbereiche (tag/nachts): erhebli­che Belästigungen ab 55/45 dB(A), Gesundheitsbeeinträchtigungen prä­ventiv-medizinisch zu befürchten ab 60/55 dB(A) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ab 65/55 dB(A). In der im Juni 2001 von allen führen­den deutschen Lärmwirkungsfor­schern ohne Widerspruch verab­schiedeten "Resolution von Neu­fahrn" werden folgende beachtli­chen Belastungsbereiche (tag/nachts) formuliert: Erhebliche Belästigungen ab 55/45 dB(A) und Gesundheitsbeeinträchtigungen prä­ventiv-medizinisch zu befürchten ab 60/50 dB(A).

Daß auch eine auf Grundrechtsge­fährdungen bezogene Risikovorsor­ge von der Schutzpflicht der staatli­chen Organe umfaßt werden kann, ist in der Rechtsprechung des Bun­desverfassungsgerichts bereits mehrfach zum Ausdruck gekommen (vgl. BVerfGE 49, 89 (140 if.) -Kalkar; ferner BVerfGE 53, 30 (57) - Mülheim-Kärlich; BVerfGE 52, 214 (220) - Vollstreckungsschutz). Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht könne - so heißt es in der Kalkar-Entscheidung - eine solche Ausgestaltung der rechtlichen Rege­lungen gebieten, daß auch die Ge­fahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibe; ob, wann und mit welchem Inhalt eine solche Ausgestaltung von Verfassungs we­gen geboten sei, hänge von der Art, der Nähe und dem Ausmaß mögli­cher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich ge­schützten Rechtsguts sowie von den schon vorhandenen Regelungen ab. Die aus dem Grundrecht auf körper­liche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) herleitbare Schutzpflicht des Staates umfaßt daher auch die Pflicht zur Bekämpfung von ge­sundheitsgefährdenden Auswir­kungen des Fluglärms.

Abgestufte Prüfung der Gesund­heitsschutzes gegenüber Fluglärm

Die vom Flugbafenausbau betroffe­nen Bürger haben erstens ein sub­jektiv öffentliches Recht auf gerech­te Abwägung ihrer eigenen rechtlich geschützten Belange, (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O., S. 342) insbesondere des Schutzes vor Fluglärm, und zweitens Ansprüche darauf, daß ihre Interessen am Schutz vor Fluglärm durch Schutzauflagen (nach § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG) zu Lasten des Flugha­fenbetreibers gewahrt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998,Az. 11 A 1/97). Hinsichtlich der maßgeblichen Schutzziele und Lärmgrenzwerte ist nach der höchstrichterlichen Recht­sprechung wie folgt zu unterschei­den:

Auch bei Fluglärm stellt die Ge­bietskategorie, zu der das betroffene Grundstück gehört, ein wesentliches Kriterium für die Zumutbarkeit ei­ner Lärmbelastung dar. Die Behörde kann die Betrachtung aber aus verwaltungsökonomischen Gründen auf die Betroffenheit des Gesamt­gebietes beschränken und ein ent­sprechendes "Schutzgebiet" sowie ein Schutzziel festsetzen mit der Folge, daß Schallschutzvorkehrun­gen dort in einer Art Meistbegünsti­gung gewährt werden. Auch An­wohner außerhalb des "Gebiets", die - gemessen am ausgewiesenen Schutzziel - einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt sind, ha­ben Anspruch auf Vorkehrungen, entbehren lediglich des "argumenta­tiven Vorteils", daß sie innerhalb des ausgewiesenen Schutzgebiets gelegen sind (vgl. BVerwG, NVwZ­RR 1991, 603, 610).

Zumutbarkeitsgrenze am Tage

Nach der Rechtsprechung ist unter Umständen je nach den Verhältnis­sen des Einzelfalls die Festlegung einer Schutzgebietsgrenze nach ei­nem äquivalenten Dauerschallpegel (67 dB(A)) zusammen mit dem Schutzziel vertretbar, daß Einzel­schallpegel im Rauminnern eine be­stimmte Höhe (von z.B. 55 dB(A) zur Vermeidung von Kommunikati­onsstörungen) nicht überschreiten dürfen. Eine mit der Schutzgebietsfestlegung trotz unter Umständen bestehender Vorbelastung verbun­dene Überschreitung der Zumutbar­keitsgrenze wird mittels der Festle­gung des Schutzziels für das Rauminnere kompensiert (BVerwG, a.a.O., S.611).

In der jüngeren Rechtsprechung be­zeichnete das OVG Hamburg (In­dustrieflugplatz Finkenwerder) ei­nen äquivalenten Dauerschailpegel von Leq(3) tags - 55 dB(A) und fünf tägliche Spitzenpegel von Lmax 75 dB(A) angesichts der ein­geschränkten Schutzwürdigkeit des Klägergrundstflckes noch als zu­mutbar (Az. Bf III 4 1/96).

Das Bundesverwaltungsgericht läßt in der Münchner Flughafenent­scheidung vom 29. Januar 1991 (Az. 4 C 51.89) eine Schwelle von tags Leq 67 dB(A) an der Außen­wand für aktiven Schalischutz und von 55 dB(A) im Rauminnern für passiven Lärmschutz in einem lärmvorbelasteten Gebiet unbean­standet. Zugleich wurde ein Ent­schädigungsanspruch für die Nut­zungseinschränkung der Außen­wohnbereiche für Gebiete bestätigt, in denen der logarithmisch gemittel­te Spitzenpegel auf Werte bis über 90 dB(A) ansteigen kann; der Planfeststellungsbeschluß sah für dies Gebiet passiven Schalischutz zu­gunsten von Pegeln im Rauminnern im Einzelfall bis auf 45 dB(A) vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat im weiteren Urteil vom 29. Dezem­ber 1998 (Az. 11 B 21/98) zum Flughafen München II die Zumut­barkeitsschwelle mit Leq 64 dB(A) für die Außenwand am Tage be­stimmt.

Das OVG Lüneburg sieht im Urteil zum Flughafen Hannover vom 26. Mai 2000 (Az.- 12 U 1303/99) eine Gefährdung bzw. Belästigung tags erst ab 19 Schallereignissen von 99 dB(A) als gegeben an.

Das Hamburgische Oberverwal­tungsgericht sieht im Urteil vom 3. September 2001 im Falle einer er­heblichen Lärmvorbelastung eine "begrenzte Anzahl" von Uberflügen im Rauminnern von mehr als Lmax 55 dB(A) als zumutbar an.

Zumutbarkeitsgrenze nachts

Das Bundesverwaltungsgericht be­stimmt im Urteil vom 27. Oktober 1998 zum Flughafen Erfurt (Az. 11 A 1/97) die Zumutbarkeitsschwelle zur Nachtzeit für lärmvorbelastete Anwohner mit dem "Jansen­Kriterium" von sechs Überflügen von Lmax 75 dB(A) außen und 60 dB(A) im Innern und bestätigt das Schutzziel für passive Schallschutzmaßnahmen von Leq 55 dB(A) im Innern.

Das jüngste Hamburger Urteil vom 3. September 2001 bestätigt Schutzziele im Rauminnem von Leq(3) 36 dB(A) und Lmax 55 dBA) für die Zeit von jeweils 22 bis 01 Uhr, wenn spätere Nachtflüge "selten" sind.

Fluglärmschutzgesetz

In Gerichtsentscheidungen zum Ausbau von Flughäfen wurde die Frage aufgeworfen, ob mit den we­nig restriktiven Lärmschutzbestim­mungen des geltenden Fluglärmgesetzes die Schutzpflichten des Gesetzgebers verletzt werden (vgl. OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93; BVerfGE 56, 54, 73).

Das OVG Koblenz vertritt dazu die Rechtsauffassung, daß für das Pla­nungsrecht die §§ 6, 8, 10 und 29 b des Luftverkehrsgesetzes eine aus­reichende gesetzliche Grundlage für den Schutz der Flughafennachbarn bilden und die Aufgabe der Ausle­gung der unbestimmten Rechtsbeg­riffe der zu vermeidenden "Nachtei­le" im Einzelfall im Wege verfas­sungskonformer Auslegung hinrei­chende Gewähr bietet, daß die Grundrechte der Betroffenen ge­wahrt werden können (vgl. BVerf­GE 79, 174, 194 f.; dazu auch: Broß, Verwaltungsarchiv 1989, 395, 397 f.; Hofmann/Grabherr, Luftver­kehrsgesetz, § 9 Rdnr. 53; Herr­mann, Dissertation Berlin, Schutz vor Fluglärm, 1994, S. 281 if.).

Im Grundsatz ist nach allgemeinen Regeln bei der Abschätzung der Lärmauswirkungen eines uneinge­schränkt zu genehmigenden Ver­kehrsflughafens von der Auslastung der Kapazität im Sinne einer leich­ten Überlastung auszugehen (vgl. Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 6 Rdnr. 51 "bw overload"; OVG Ko­blenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93).

Andererseits kommt es nicht darauf an, ein bloß theoretisch bestimmtes Maß der Ausschöpfung der Kapazi­täten zugrundezulegen. Erforderlich ist zwar eine Betrachtung des "Worst-Case", diese muß jedoch an den realen Erwartungen orientiert bleiben. Unvorhersehbare Entwick­lungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVtO sind außerhalb des Prognosehorizonts angesiedelt. Ein­zelheiten des Betriebs können in ei­ner Prognose offenbleiben, soweit dem Problem mit gesonderten Maß­nahmen Rechnung getragen werden kann. Näherliegenderen Abwei­chungen von den zugrunde gelege­nen Annahmen kann - ohne daß die Planfeststellung ihrem Inhalt nach auf den Prognosehorizont festzu­schreiben wäre - dadurch Rechnung getragen werden, daß ein an be­stimmte Kriterien geknüpfter Rege­lungsvorbehalt eine Konfliktlösung offenhält (vgl. OVG Koblenz Urteil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93).

Zum Schutz vor Fluglärm zählen die Abwehr enteignungsgleicher Wirkungen des Lärms insbesondere für die ihr Wohneigentum nutzen­den Anwohner, die Abwehr unzu­mutbarer Lärmeinwirkungen so wie der unterhalb der Zumutbar­keitsschwelle liegende, aber nicht unerhebliche Fluglärm. Zu berücksichtigen ist auch das gesetzliche Gebot zur Fbuglärmminimierung in § 29b LuftVG. Zur Aufgabenstel­lung des Schutzes vor Fluglärm zählt aber auch die Berücksichti­gung der Lärmminderungspläne der Gemeinden oder der nach dem hessischen Landesrecht zuständigen Behörden (§ 47 a BImSchG) und - soweit in den Lärmminderungsplä­nen noch nicht geschehen - die Er­mittlung und Berücksichtigung der Gesamtlärmimmissionen des Stra­ßenverkehrs, des Schienenverkehrs, von Gewerbe und Industrie und des Luftverkehrs, zu der sich der Fluglärm des Erweiterungsteiles des Frankfurter Flughafens addieren soll.

Zu der Ermittlung der Behörde zum Fluglärm und der Abwägung dieses Belanges sind in der Rechtspre­chung des Bundesverwaltungsge­richts Grundsätze entwickelt wor­den. Die planenden Behörden ent­scheiden im Rahmen ihrer planeri­schen Gestaltungsfreiheit grundsätz­lich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen auch darüber, auf welche Weise sie den Belangen des Lärmschutzes Rechnung tragen wollen.

Bedeutung für die Abwägung kommt zuerst dem über der von der Rechtsprechung so genannten Ent­eignungsschwelle liegenden Lärm zu. Bewirkt das Maß des Lärms fak­tisch eine Enteignung, dann greift die Planung in ganz gravierender Weise in privates Eigentum und letztlich die Siedlungsstrukturen ein. Der planenden Behörde kommt nicht die Ermächtigung zur zwangsweisen Absiedlung zu (BVerwGE, 75, 214, 260).

Die mittelbaren Einwirkungen wür­den in einem solchen Fall jegliche Zumutbarkeit überschreiten und könnten nicht mehr durch bloße Schutzauflagen oder Entschädi­gungszahlungen im Sinne des § 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ausgeglichen wer­den. Soweit die Belange in der Pla­nungsentscheidung zugunsten der Durchsetzung des Vorhabens über­wunden werden könnten, wäre die Gewährleistung einer Entschädi­gung auf entsprechendes Übernah­meverlangen hin (Absiedlungsan­gebot) erforderlich.

Abwägungsrelevant sind auch die im Sinne des Fachgesetzes (§ 9 Abs. 2 LuftVG) "unzumutbaren" Lärmeinwirkungen. Für sie ist eine ge­setzlich ausgeformte, im Wege der Abwägung nicht überwindbare Grenze errichtet. Erforderlich ist in diesem Fall die Sicherstellung eines physisch-realen Ausgleichs, jedoch erst nachrangig, nämlich dann, wenn sich die planende Behörde abwägungsfehlerfrei nicht in der Lage sieht, die Problembewältigung durch eigene planerische Regelung - etwa Betriebsregelungen - zu leisten (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1991, 603 ff.).

Schließlich ist auch der unterhalb der Zumutbarkeitsschwelbe liegen­de, aber nicht unerhebliche Fluglärm für die Abwägung bedeutsam (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 1990, NVwZ-RR 1991, 118 <125> sowie Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10 S. 8).

Wie die oben geführte Prüfung der Reichweite des Schutzes des Grundrechtes aus Art. 2 GG belegt, um­faßt der Fbuglärmschutz auch die Pflicht zur Bekämpfung von ge­sundheitsgefährdenden Auswir­kungen des Fluglärms. Dazu zählen fluglärmbedingte Störungen des nächtlichen Schlafes auch unterhalb der Aufweckschwelle, wenn sie ge­eignet sind, die Gesundheit der An­wohner des Flughafens zu gefähr­den (OVG Lüneburg Urteil vom 09. Juni 1997 Az. 12 K 325/96 <Han­nover-Langenhagen>).

Dies anerkennt auch § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, der eine Pflicht des Flugplatzhalters, der Luftfahrzeug­halter und -führer zur Beschrän­kung von Fluglärm regelt, wenn dies erforderlich ist, um die Bevöl­kerung vor "erheblichen Belästi­gungen" zu schützen. Unerheblich ist nur der Fluglärm, der lediglich als nur geringfügig zu bewerten ist.

Dauerschallpegel

Die grundsätzlich den Lärmuntersu­chungen zugrunde gelegten Metho­den sind in der Vergangenheit auf Kritik gestoßen. Das OVG Koblenz hat sich damit auseinandergesetzt und im Urteil vom 01. Juli 1997 (Az. 7 C 11843/93) diese als dem in Wissenschaft und Technik aner­kannten Stand entsprechend bewer­tet, insbesondere was "die Ermitt­lung von Dauerschallpegeln, Ein­zelschallpegeln und die Berücksichtigung des der Prognose zugrunde gelegten Fluggeräts angeht."

Es wird erwogen, die Berechnungen nach dem Fluglärmgesetz wegen der Eigentümlichkeiten von dessen Anwendungsbereich und je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls durch Heranziehung anderer Regelwerke zu ergänzen.

Für die wesentlichen mit der Flug­lärmproblematik verbundenen Fra­gen bietet sich indessen - so das OVG Koblenz - nach "anerkannter Auffassung unter den einschlägigen Sachverständigen kein vergleichba­res so umfassend methodisch entwi­ckeltes Regeiwerk an". Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß insbe­sondere die Anwendung der Anlei­tung zur Berechnung (AzB) zum Fluglärmgesetz (vgl. ursprüngliche Fassung GMBI. 1975, 162) und die Heranziehung von bestimmten Grenzwerten für Planungsverfahren modifiziert werden und gegebenen­falls eine Korrektur durch Abgleich mit sonst in Betracht zu ziehenden Regelwerken in Frage kommt.

Bei der Betrachtung des Dauer­schallpegels berücksichtigt das OVG Koblenz in seinem Urteil zur Konversion des Flughafens Hahn, daß der der Berechnung nach dem Fluglärmgesetz zugrunde liegende Leq (4) im Bereich höherer Flug­bewegungszahlen die Lärmwirkun­gen nach anderen Regelwerken, wie etwa den DIN-Bestimmungen (DIN 45 643), entsprechend erfasse (dort Leq (3)), indessen bei geringeren Gesamtzahlen die DIN-­Bestimmungen im unteren Bereich ca. 4-5, sonst 2-3 dB(A) strenger seien; bei sehr hohen Flugbewe­gungszahlen sei die Beurteilung nach dem Fluglärmgesetz strenger.

Der Dauerschallpegel ist nach der in der Rechtsprechung vertretenen Meinung in aller Regel "der ange­messene Maßstab für die Erfassung einer regelmäßig in Erscheinung tretenden Vielzahl von Fluglärmer­eignissen" (vgl. OVG Koblenz Ur­teil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93). Grenzen der Aussagekraft werden aber bei unregelmäßig in Erschei­nung tretenden Belästigungen und bei solchen, die im Hinblick auf ihre Sozialakzeptanz eher Freizeitlärm­erscheinungen vergleichbar sind. Ergänzend kommt eine Betrachtung nach DIN 4109 bzw. VDI 2719 in Betracht, insbesondere wenn der Dauerschallpegel durch besonders hohe Spitzenpegel zustandekommt.

Einzelschallpegel

Für Fragen der Kommunikationsstö­rung und der Gesundheitsbeein­trächtigung durch Schlafstörungen ist auf Maximalpegel abzustellen. Die Heranziehung der mittleren Maximalpegel nach der AzB ist - wie auch die Zielrichtung und Ent­stehungsgeschichte des Regelwerks zum Fluglärmgesetz zeigt - "nicht völlig sachangemessen und unprob­lematisch" (vgl. OVG Koblenz Ur­teil vom 01. Juli 1997 Az. 7 C 11843/93). Da es insoweit nicht um die Ermittlung eines Mittelungspe­gels geht, sondern um die unmittel­baren Wirkungen auf den Men­schen, ist an sich nur die Heranzie­hung der um einen mittleren Maxi­malpegel streuenden Einzelpegel angemessen. Die Betrachtung der Streubreiten kann gegebenenfalls sogar zur Ausweisung eines kleine­ren Schutzgebiets führen, wenn et­wa der die Gruppe repräsentierende Wert gerade über dem Schwellen­wert liegt, obwohl in diesen Fällen die an sich geforderte Häufigkeit nicht erreicht wird, denn definiti­onsgemäß liegen über die Hälfte der Ereignisse unterhalb des maßgebli­chen Einzeiwertes (Mittelwertes). Andererseits können obere Streu­werte einer niedrigeren AzB-Klasse von Flugzeugen in die höheren Klassen "hineinstreuen", so daß für ein genaues Bild insoweit differen­zierte Untersuchungen erforderlich wären.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Flugha­fen München II ein Schutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses gebilligt, das dem Flughafenunter­nehmer aufgab, für Schallschutzvorrichtungen an Aufenthaltsräumen Sorge zu tragen; diese Schallschutzvorrichtungen hatten zu ge­währleisten, daß durch An- und Ab­flüge vom Flughafen im Raumin­nern bei geschlossenen Fenstern keine höheren Schalbpegel als 55 dB(A) auftreten. In näher bezeich­neten Gebieten, in denen der loga­rithmisch gemittelte Spitzenpegel im Freien auf Werte bis über 90 dB(A) ansteigen kann, wurde neben der Gewährung einer Entschädigung wegen Nutzungsbeeinträchtigung der Außenwohnbereiche bestimmt, daß der Schalipegel im Rauminnern im Einzelfall bis auf 45 dB(A) mit­tels Schallschutzvorrichtungen her­abzudämmen sei. Mit der Angabe dieser Schallpegel als Schutzziel habe die Planfeststellungsbehörde, so das Bundesverwaltungsgericht, die Zumutbarkeitsgrenze im Sinne von § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zutreffend konkretisiert (BVerwG Urteil vom 29. Januar 1991, Az. 4 C 5 1/89).

Schon im Umweltgutachten 1987 der Bundesregierung (vgl. a.a.O. S. 394) wird der Interdisziplinäre Ar­beitskreis mit der Forderung zitiert, daß im Wohnbereich nicht nur eine gute Sprachverständlichkeit bei mittlerer Sprechweise, sondern auch bei entspannter Unterhaltung mit ruhiger Sprechweise über Entfer­nungen von mehr als 1 m gegeben sein soll. Dies sieht der Arbeitskreis als erreicht an, wenn die Innenge­räuschpegel während der Kommu­nikation in Form von Kurzzeitmitt­lungspegeln 40 dB(A) nicht über­steigen. Jedoch betont das Umweltgutachten gleichzeitig, daß bei Ge­räuschen, die sich aus lauten Einzelereignissen mit ausreichenden Pausen zusammensetzen, die Verla­gerung der Kommunikation in die Geräuschpausen bis zu einem ge­wissen Grad zuzumuten sei. Inso­weit wird den Unterschieden zwi­schen Dauergeräuschen und Einzel­lärmereignissen Rechnung getragen. Schließlich weist das Gutachten auch darauf hin, daß die angegebe­nen Schwellenwerte hinsichtlich der Unzumutbarkeit den Bedingungen entsprechend zu modifizieren seien. Daraus wird nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29. Januar 1991, Az. 4 C 5 1/89) deutlich, daß selbst für die Situation bei Dauergeräuschen der genannte Schallpegel nicht die Zu­mutbarkeitsgrenze im Rechtssinne markiert. Dem entspricht es, daß ausweislich einer im Umweltgutachten abgedruckten Ta­belle über den Zusammenhang zwi­schen akustischen Werten und Lärmwirkungen als Maximalpegel für eine 99%ige Satzverständlich­keit 55 dB(A) angegeben werden.

Anspruch auf passiven Schallschutz

Soweit Anwohner einen Anspruch auf Kostenersatz für den Einbau von Schallschutzfenstern mit schallge­dämpfter Lüftung haben, ist damit ihr Anspruch auf Frischluftversor­gung der Wohnung gewährleistet (BVerwG Urteil vom 01. Oktober 1997 Az. 11 A 10/96). Ihr Einwand, das Leben mit ständig geschlosse­nen Fenstern sei unzumutbar, ist rechtlich nicht relevant, denn er überschreitet nach Meinung der Rechtsprechung die gesetzlich gere­gelten Schutzansprüche.

Ausgleichsanspruch in Geld

Sind nach Bewertung der Planfest­stellungsbehörde "Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhal­tung von Anlagen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen" des Flug­hafenbetriebs auf die Rechte der Anwohner (aktive oder passive Schallschutzmaßnahmen) "untun­lich oder mit dem Vorhaben unver­einbar" (§ 74 Abs. 2 Satz 3 HVwVfO), hat die Planfeststel­lungsbehörde dem Vorhabenträger einen angemessenen Ausgleich in Geld aufzuerlegen. Diese Vorschrift bleibt von den einschränkenden Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 und 2 Satz 1 BImSchG nach § 42 Abs. 2 Satz 2 BImSchG unberührt (BVerwG Urteil vom 01. Oktober 1997 Az. 11 A 10/96). Der Ent­schädigungsanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 HVwVtti ist ein Sur­rogat für nicht realisierbare, weil untunliche oder mit dem Vorhaben unvereinbare technisch-reale Schutzmaßnahmen (vgl. BVerwGE 87, 332 <377>).

Im Sinne des Gesetzes "untunlich" sind Schutzmaßnahmen, wenn sie keine (wirksame) Abhilfe erwarten lassen, für den Träger des Vorha­bens unzumutbar wären, insbeson­dere unverhältnismäßige, nicht mehr vertretbare Aufwendungen er­forderten. Bei welcher Höhe dies anzunehmen ist, kann jedoch ebenso wie im Rahmen des § 41 Abs. 2 BImSchG grundsätzlich nicht losge­löst von dem angestrebten Schutz­zweck beurteilt werden und be­stimmt sich hier wie dort nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. zum aktiven Lärmschutz BVerwG, Beschluß vom 30. August 1989, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 5 S. 2; BVerwG Urteil vom 22. Mai 1987 Az. 4 C 33-35.83 in: BVerw­GE 77, 285 <295> für den Fall ei­nes Parksanatoriums an der B 31).

Die Rechtsprechung fordert, daß der Betroffene einer plangegebenen Vorbelastung sich "vor technisch unvermeidbarem Verkehrslärm auf eigene Kosten schützen muß und für eine etwa verbleibende Wertminderung seines Besitzes keinen Aus­gleich erhält" (vgl. BVerwG Urteil vom 22. Mai 1987 Az. 4 C 33-35.83 in: BVerwGE 77, 285 <295>).

Die Hauptanwendungsfälle eines Anspruches auf einen Geldausgleich sind Beeinträchtigungen der Au­ßenwohnbereiche (Terrasse, Loggia, Balkon, Freisitz) durch den Tagbe­trieb des neuen Flughafenteiles. Als Bemessungsgrundlage wird in der Regel eine Verminderung des Verkehrswertes in Betracht kom­men, wie sie durch die Beeinträch­tigung oberhalb der Zumutbarkeits­grenze eintritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1988, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6 5. 10; Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O., 5. 388 ff.).

Die Planfeststellungsbehörde kann zur Bemessung des Geldausgleichs aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität die Grenze zur Un­verhältnismäßigkeit einheitlich fest­legen. Eine solche Regelung hat al­lerdings einen hinreichenden passi­ven Schallschutz bzw. eine ange­messene Entschädigung auch im Einzelfall zu gewährleisten. Dies setzt neben einer Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten vor­aus, daß der gesteckte finanzielle Rahmen eher weit gefaßt sein muß. Hierbei könnten als Anhalt etwa die Baukosten herangezogen werden, die erforderlich wären, entspre­chende Außenbauteile unter Be­rücksichtigung des zur Gewährleis­tung des Schutzzwecks erforderli­chen Bauschalldämmaßes neu zu er­richten (BVerwG Urteil vom 27. Oktober 1998, Az. 11 A 1/97).

Einen Anhalt können schließlich auch die Aufwendungen liefern, die normalerweise zur Erreichung des erforderlichen Bauschalldämmaßes an ortsüblichen Gebäuden erforder­lich sind.

Rechtlich zu beanstanden wäre es, wenn die Planfeststellungsbehörde - ohne die ortsübliche Bebauung zu berücksichtigen - ihrer Regelung maßgeblich die Annahme zugrunde legte, daß eine etwa erforderliche zusätzliche Lärmdämmung im Re­gelfall nicht mehr als die einzuset­zenden Schallschutzfenster ohne Belüftungssystem kostet (vgl. BVerwG Urteil vom 27. Oktober 1998,Az. 11 A 1/97).

Die Entschädigung für eine Lärmbeeinträchtigung des Außenwohn­bereichs richtet sich dabei grund­sätzlich nach der hierdurch beding­ten Wertminderung des gesamten Anwesens, nicht nur der Wertmin­derung jener dem "Wohnen im Freien" zugeordneten Teilfläche (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Sep­tember 1993, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 94 S. 111; Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O., S. 379).

(Bearbeitungsstand: 22. August 2002)

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Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens PFV FRA-Ausbau Juristische Auseinandersetzung PFV-Einwendungen Öffentliche Auslegung der PFV-Unterlagen Genehmigungsverfahren Flughafen-Ausbau FRA Sachsen-Anhalt

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